Antwort auf „süßes Gift“

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Meine Antwort auf http://www.sueddeutsche.de/politik/aussenansicht-suesses-gift-1.3367355

Sehr geehrte Frau Hassel,

Sie beschreiben in Ihrem Artikel sehr schön anschaulich die Vorteile des Bedingungslosen Grundeinkommens. Doch leider argumentieren Sie damit, es sei trotz allem eine Sackgasse. Deswegen möchte ich kurz auf Ihre Kritikpunkte eingehen:

  1. Sie beschreiben, dass es gut sei, für die sogenannte Mittelschicht, sich frei entfalten zu können. Dem stimme ich zu. Warum das allerdings nur für die Mittelschicht gelten solle, erschließt sich mir nicht. Der Punkt, dass junge Menschen „aus der benachteiligten Hälfte der Gesellschaft“, wie Sie sie nennen, weniger motiviert seien, etwas Sinnvolles aus ihrem Leben zu machen, zeugt von elitärer Überheblichkeit sondergleichen. Intrinsische Motivation ist psychologisch gut belegt, und zwar für ALLE Menschen. Die Effekte, die Sie vielleicht meinen und heutzutage leider zu beobachten sind, beruhen wohl eher darauf, dass viele aktiv davon abgehalten werden, sich selbst zu verwirklichen. Durch Drangsalierungen des Jobcenters, durch ungerechte Behandlung in den Schulen und auf dem Arbeitsmarkt und, ja auch das, auch durch schlechte Vorbilder. Ein Grundeinkommen hingegen würde Kinderarmut reduzieren, die Bildungschancen damit für alle verbessern und auch eine längere Ausbildung/Studium für die ermöglichen die keinen finanziellen Background vom Elternhaus haben.
  1. Sie sprechen dem Bedingungslosen Grundeinkommen die Gesellschaftliche Legitimation ab. Das würde ich die Bevölkerung lieber selbst entscheiden lassen. Ihrer Meinung nach ließe es sich mit dem Gerechtigkeitssinn der Mitte nicht vereinbaren, obwohl das ja genau die sind, die Ihrer Meinung nach davon am meisten profitieren (s. Argument 1). Widersprechen Sie sich da nicht vor allem selbst? Wie viel Umverteilung wir wollen und wie ein Grundeinkommen finanziert würde, sind wichtige Fragen, die gestellt werden müssen. Klar sollte sein, dass es prinzipiell ginge und eben eine Frage der politischen Willensbildung ist. Das vorab über die Köpfe hinweg schon sagen zu wollen, empfinde ich ebenfalls als sehr von oben herab. Aus meiner Sicht profitieren alle von einer gesünderen und gerechten Gesellschaft, allein schon, weil es schöner ist darin zu leben. Aber es gibt natürlich noch viel mehr Gründe und auch dafür sind viele der Menschen, mit denen ich gesprochen habe aufgeschlossen. Das Ideal eines frei denkenden Bürgers, dessen Existenz in Zeiten des Überflusses nicht wirklich bedroht sein müsste, ist trotz vielen Jahren Neoliberaler Wirtschaftspolitik noch nicht ganz abhandengekommen.
  1. Eine Zuwandungsgesellschaft von der ich mir wünschen würde, dass wir es immer mehr werden, braucht Integration. Auch darin stimme ich Ihnen zu. Ich möchte aber zu bedenken geben, dass das Gegenteil von Erwerbsarbeit nicht zwingend zuhause bleiben ist. Die meisten Geflüchteten hingegen suchen händeringend nach sinnvollen Aufgaben und Kontakt, obwohl sie (erstmal) nicht Erwerbsarbeiten dürfen, nach heutigem Stand des Gesetzes. Mit einem Grundeinkommen gäbe es viel mehr Möglichkeiten und Freiräume, sich außerhalb des klassischen Erwerbslebens zusammen zu tun, zu engagieren und auch zu integrieren. Die sozialen Beziehungen zwischen den Menschen profitieren eigentlich immer davon, wenn sie von gegenseitigem Konkurrenzdruck um einen Arbeitsplatz befreit werden.
  1. Auch Sie wünschen sich eine Debatte um eine gute Gesellschaft und darum, wie Arbeit in der Zukunft bewertet werden kann, abseits der Einteilung in Erwerbs- und notwendiger nicht honorierter Arbeit. Die Fragen, wie mit zunehmender Automatisierung und Digitalisierung umgegangen werden soll bei gleichzeitigem Anstieg des Bedarfs in der un- oder unter-bezahlten Care-Arbeit bleiben von Ihnen an dieser Stelle leider unbeantwortet. Meine Antwort drauf ist das Bedingungslose Grundeinkommen. Was damit wirklich alles passiert, kann keiner Vorhersagen. Aber wir sollten es wenigstens probieren.

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