Das Grundeinkommen und seine Kritiker

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Fans des Grundeinkommens gibt es in allen politischen Spektren, von Linken bis AfD, von liberal bis sozial, von konservativ bis progressiv. Ebenso gibt es auch Kritiker aus allen Richtungen. Manche, weil sie die Idee des Grundeinkommens noch nicht verstanden haben, weil sie die Vielfalt der Umsetzungsmöglichkeiten noch nicht kennen, weil sie es politisch für nicht durchsetzbar halten – und andere weil sie wirklich etwas dagegen haben. Der Versuch einer Übersicht.

Kritik aus linker und gewerkschaftlicher Perspektive

Hier wird oft für eine Verbesserung der Grundsicherung plädiert und gleichzeitig eine zu hohe Belastung der Erwerbstätigen befürchtet. Dabei wird gerne übersehen, dass echte Armutsbekämpfung nun mal teuer ist, ein Grundeinkommen dabei sogar effektiver als klassische Grundsicherung wirkt. Die Belastung von Erwerbstätigkeit wird nicht immer ehrlich betrachtet, denn heute sind die kleinsten Einkommen mit 80/90/100% Transferentzug viel weniger lohnenswert als hohe Einkommen (oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze) mit einem maximalen Steuersatz von 47,5%. Ein Grundeinkommen könnte so gestaltet werden, dass die tatsächliche Grenzbelastung für Geringverdiener niedriger ist als für hohe Einkommensklassen. Und das, obwohl die Steuern zur Finanzierung des Grundeinkommens insgesamt steigen müssten. Der Lohnabstand ist heute extrem schlecht, mit Grundeinkommen könnte das deutlich verbessert werden, wenn die zugehörige Steuerreform entsprechend gestaltet würde.

Das gewichtigste Argument von linker Seite ist vielleicht, dass ein gutes Grundeinkommen schwer politisch durchzusetzen sei. Das mag sein. Dafür wäre es schon hilfreich, wenn weniger dagegen gearbeitet würde. In gewisser Weise ein sich selbst erfüllendes Argument. Das gilt allerdings für alle wesentlichen Verbesserungen und ich sehe die Chancen für ein Grundeinkommen deutlich besser als für manch andere linke Utopie.

Kritik aus konservativer Ecke

Die Chancen für die Umsetzung eines Grundeinkommens sind deswegen besser als für manche andere linke Utopie, weil es eben keine rein linke Utopie ist, sondern auch viele Konservative, Liberale und sogar Sozialnationale sich dafür begeistern können.

Das Grundeinkommen passt zum christlichen Menschenbild, zur bedingungslos liebenden Mutter Maria. Es passt zum traditionellen Familienbild mit vielen Kindern und einer ausschließlich Care-arbeitenden Mutter. Es passt zum Ideal einer chancengerechten Gesellschaft, in der Leistung entscheidet und nicht vor allem das Glück der Geburt.

Aber es passt weniger gut zum protestantischen Arbeitsethos, bei dem nur Wert ist, wer erwerbstätig ist. Und es stört die traditionellen Machtverhältnisse innerhalb der Familie, wenn der Ernährer nicht mehr die alleinige ökonomische Macht hat, sondern auch Frau und Kinder ihr eigenes Grundeinkommen.

Am auffälligsten stört es im Wirtschaftsleben, überall dort, wo Arbeit so organisiert ist, dass Menschen ausgenutzt werden. Die Machtverschiebung hin zu Angestellten, die auch einfach kündigen könnten, gefällt dem einen oder anderen Arbeitgeber nicht.

Allerdings betrifft das nicht alle Konservativen. Nicht jeder Ehemann hat Angst, dass ihn seine Frau verlässt, sobald sie eigenes Geld hat. Nicht jeder Vater hat Angst, dass aus seinen Kindern nichts wird, wenn sie nicht von ihm oder dem Staat dazu angehalten werden, „was Vernünftiges“ zu machen. Und nicht jeder Arbeitgeber befürchtet, seine Mitarbeiter zu verlieren, wenn im Jobcenter die Sanktionen gestrichen werden.

Wer heute Abhängigkeit ausnutzt, wird mit Grundeinkommen wahrscheinlich umdenken müssen. Wer das heute schon nicht tut, braucht sich keine Sorgen zu machen.

An dieser Stelle wird klar, wer echte Argumente gegen das Grundeinkommen hat. Wer tatsächlich Nachteile erfahren würde. Ob man darauf Rücksicht nehmen muss? Sicher nicht. Denn selbst wer heute Abhängigkeit ausnutzt, profitiert ja davon, wenn er seine Mitmenschen so behandelt, dass sie freiwillig bleiben. Aber das erfährt derjenige eben erst nach dem Umdenken.

Das Problem ist vielmehr, dass diejenigen, die die Abhängigkeit anderer ausnutzen, aktuell sehr viel Macht haben. Und oft auch skrupellos genug sind, diese um jeden Preis zu verteidigen. Es sind vielleicht nicht viele, aber mächtige Gegner. Und da schließt sich der Kreis zu den Skeptikern der Linken Seite.

Das zu überwinden ist keine Frage der Aufklärung über das Grundeinkommen. Je klarer diese Machtverschiebung würde, desto größer würde der Widerstand. Natürlich nicht bei allen Mächtigen, sondern vor allem dort, wo Macht auf der Ausnutzung von Abhängigkeit beruht. Aber da gibt es echte Widerstände. Wie können die überwunden werden?

Vertrauen aufbauen

Mit Gewalt wie bei einer Revolution? Nein! Das hat sich nicht bewährt. Mit Liebe und Vertrauen, das Schritt für Schritt aufgebaut werden kann. Deswegen ist es so wichtig, ein Grundeinkommen schrittweise einzuführen. Selbst wenn es dabei nicht von Anfang an schon komplett bedingungslos ist.

6 Kommentare

  1. Ich muss gestehen, dass ich grunds tzlich gegen das bedingungslose Grundeinkommen bin. Zumindest sollte eine Bed rftigkeitspr fung erfolgen, die auch Verm gen aller Art einbezieht. Es kann nicht sein, dass Menschen, die ber 30 Jahre in einem Niedriglohnberuf ackern, nach ewigen Diskussionen endlich eine Grundrente erhalten und gleichzeitig ein Grundeinkommen f r egal wen debattiert wird. Wenn der Bund Jahr f r Jahr Milliarden verschenken m chte, dann doch bitte mit Ber cksichtigung der Leistungen, die Menschen hierzulande erbringen. Ich denke man soll gute Ideen nicht kaputt kritisieren, denn es kann eine gute Chance sein besser und niveauvoller leben zu k nnen. Es ist wie eine Wertsch tzung ans Leben. Wer z. B. Kinder hat, der kennt es, wie schnell das Portemonnaie wieder leer ist, weil man Sachen besorgen muss und dann an sich selbst spart. Es soll eine Studie sein, die man wertsch tzend und realistisch betrachten und nicht verurteilen sollte. Ich bin f r gute Ideen immer zu begeistern und freue mich, sollte es klappen!

  2. Ich denke, dass das bedingungslose Grundeinkommen eine großartige Möglichkeit sein kann, die Gesellschaft angst- und stressfreier zu machen. Der Arbeitsplatzverlust wiegt nicht mehr so schwer, eine kreative Auszeit wird möglich und keiner muss sich beim Arbeitsamt durchleuchten lassen. Ich finde, hier wird auch ganz viel Würde zurückgegeben. Natürlich wird es die geben, die das Geld gerne nehmen und wie vorher auch keiner Arbeit nachgehen. Aber das sind bestimmt die Wenigsten. Viele werden mit der Absicherung im Rücken ein gesellschaftliches Engagement aufnehmen anstatt verzeifelt Bewerbungen zu schreiben und beim Amt zu sitzen. Gerade ältere Menschen, die noch nicht in Rente sind, könnte das entlasten. Insgesamt wird auch der Wert der Arbeit gesteigert, denn wer arbeitet erhöht seinen Lebensstandard durch mehr finanzielle Möglichkeiten. Ich finde, wir sollten das Experiment durchaus mal wagen!

  3. Ich finde, das Wichtigste am Bedingungslosen Grundeinkommen ist, dass man die Wahl hat, ob man einen Job bzw. eine Erwerbsarbeit ausüben möchte oder nicht.
    Denn diese Wahl bedeutet Freiheit.
    Und erst Freiheit kann Bedeutung erschaffen.
    Wenn du wie gezwungen bist, jeden Tag deine Erwerbsarbeit zu machen, dann handelst du gar nicht.
    Deine Persönlichkeit kann sich gar nicht zeigen, weil du wie ein Roboter gezwungen bist, das zu tun, was du erwerbsmäßig eben tun must.
    Es ist erst die Alternative oder die Möglichkeit zur Alternative, die uns handeln lässt oder uns in den Stand versetzt handeln zu können und damit unsere Persönlichkeit, grundgesetzlich garantiert, zu entfalten.
    Und dazu gehört sicher auch die Alternative: Erwerbsarbeit ja oder nein.

    Jetzt könnte man einwenden, dass bei einer Verallgemeinerung dieser Argumentation man letztlich über sehr viele Dinge entscheiden müsste:
    also Erwerbsarbeit ja oder nein, Rentensystem ja oder nein, Gentechnik ja oder nein, Gesetze ja oder nein (um das mal ein bisschen auf die Spitze zu treiben) usw.
    Das ist sicher richtig.
    Aber unsere Wahlfreiheit hat doch über die Jahre hinweg zugenommen. Man schaue sich z. B. nur Frauen in unserer Gesellschaft an. Die Wahlfreiheit hat doch zugenommen, wenn ich daran denke, dass z. B. Frauen heute gottseidank ihre Männer nicht mehr um Erlaubnis bitten müssen, selbst erwerbstätig sein zu dürfen.
    Dieses Einschätzung, dass die Wahlfreiheit über die Jahre hinweg zugenommen hat, könnte nun suggerieren, dass es eine Entwicklung gibt von einem Null an Wahlfreiheit zu einem Alles an Wahlfreiheit. Ich glaube, dass dies falsch ist. Und ich glaube, ich wäre da wohl am Ende der Entwicklung selbst auch ziemlich überfordert mit der immensen Wahlfreiheit.
    Nein, es ist wohl eher so, dass es da nicht tatsächlich ein Ende gibt, an dem man sozusagen alles auswählen muss, wie man leben möchte, sondern dass es einen politischen Willen gibt (was immer das genau sein mag) oder eben politische Entscheidungen, die bestimmte Bereiche mit Wahlfreiheit belegen und andere davon aussparen.
    Es ist halt genauso wie im Leben auch: Es gibt nicht das Allgemeinrezept wie man sein Leben leben soll, sondern man entscheidet sich halt, bestimmte Bereiche mit mehr Aufmerksamkeit oder (Wahl-)Freiheiten zu belegen, andere eben nicht – es gibt da kein richtig oder falsch (solange es sich in einem gewissen grundgesetzlichen Rahmen (/einer bestimmten Form) bewegt).
    Im Rückblick sieht es dann nur so aus, als würde es diese zielgerichtete Entwicklung auf eine alles umfassende Wahlfreiheit geben bzw. mit Bezug auf das Leben: als gäbe es eine zielgerichtete Entwicklung hin auf (die Kenntnis) ein(es) Allgemeinrezept(es) für das Leben – dabei ist dieses Starker-Mann-Denken mit dem Allgemeinrezept nur eine Illusion, die, kantisch gesprochen, nur durch unsere zeitliche Sicht auf die Dinge bedingt ist (mehr dazu in meinem Blog).

  4. Hallo Frau Dobberstein,

    jetzt höre bzw. lese ich schon zum zweiten Mal das Wort „Selbstermächtigung“.
    Irgendwie wirkt es auf mich doch sehr befremdlich.

    Meine erste Bekanntschaft mit dem Wort ginge, so das Gegenüber vor ein paar Tagen, auf Ihre Verwendung zurück.
    Eben gerade habe ich im aktuellen Barmer-Heft das Wort gelesen, in einem Interview mit dem Psychologen Herrn Stephan Grünewald.

    Ich muss gestehen, dass ich etwas vorsichtig bin bei diesem Wort.
    Schließlich gab es in Deutschland unter der Nazi-Diktatur das sog. Ermächtigungsgesetz, dass die Regierung mit vielen über die Verfassung hinausgehenden Vollmachten ausstattete.

    Man könnte auch formulieren, dass die Regierung sich aus einem verfassungsmäßigen, demokratischen und prozedural geregelten Gefüge herauslösen konnte.

    In der Verwendung des Wortes „Selbstermächtigung“ lese ich daher heraus, dass man sich selbst die Macht erteilt, aus einem Gefüge herauszuspringen oder sich aus einem Gefüge zu lösen.

    Das mag gutgehen, wenn z. B. das Gefüge ein destruktives Gefüge ist, dass es aus therapeutischer Sicht zu verlassen gilt.
    Aber man stelle sich einen Terroristen oder einen Schläger auf der Straße vor, der von sich vielleicht auch sagen würde, sich selbst ermächtigt zu haben, andere Menschen zu töten oder zu verprügeln bzw. sich selbst legitimiert haben, eine Ordnung oder ein Gefüge zu verlassen.

    Problematischer finde ich allerdings – neben der begrifflichen Nähe zu dem Ermächtigungsgesetz der Nazis -, dass suggeriert wird, dass es auf einen selbst ankomme. Also, wenn man so möchte, der methodologische Individualismus. Denn es macht auf mich den Anschein, dass da konzeptuell gesagt wird, dass es auf die eigene Tätigkeit des Selbst-Ermächtigen ankommt, um mitunter destruktiven Tendenzen/Gefügen/Ordnungen/Systemen zu entgehen. Wenn man also so möchte, kann man auch formulieren, dass konzeptuell gesagt wird, dass das eigene Leben abhinge von meiner eigenen Tätigkeit.

    Wenn das allerdings der Fall wäre, dann gäbe es kein Gemeinwesen, keinen Staat „und es [gäbe] keine Wissenschaft, welche vielen gemeinsam wäre, an welcher viele arbeiten könnten; sondern ich [hätte] vielleicht meine Wissenschaft […] ein anderer [hätte] seine [eigene] Wissenschaft.“ (Zitat aus Gottlob Frege: Der Gedanke – eine logische Untersuchung“ – ich fand, dass es gerade gut passte).
    Es ist ja nicht so, dass wir das Rad jeden Tag neu erfinden müssten, als wären wir persönlich ohne Vergangenheit, oder als wären wir ohne Mitmenschen und ohne eine naturwissenschaftliche, philosophische oder auch künstlerische Kultur, die uns alle trägt.
    Schließlich verlasse ich mich auf meine Mitmenschen auf der Straße, auf die Politik und auf die Wissenschaft, wenn auch sicherlich (nur) zu einem gewissen Ausmaß und mitunter mit einer kritischen Distanz.
    Hinge mein Leben von meiner Tätigkeit ab, dann wäre ich ja sehr schnell zu verunsichern und damit auch zu kontrollieren.

    Ich bin mir nicht sicher, ob mein Kommentar hier wirklich hinpasst. Ich habe diesen Ort gewählt, da die erste Bekanntschaft mit dem Wort oder mit dem Begriff der Selbstermächtigung im institutionellen Umfeld des Bedingungslosen Grundeinkommens stattfand.

    Hier ist noch einmal das ganze Zitat von Frege:
    „Wenn jeder Gedanke eines Trägers bedarf, zu dessen Bewusstseinsinhalte er gehört, so ist er Gedanke nur dieses Trägers, und es gibt keine Wissenschaft, welche vielen gemeinsam wäre, an welcher viele arbeiten könnten; sondern ich habe vielleicht meine Wissenschaft, nämlich ein Ganzes von Gedanken, deren Träger ich bin, ein anderer hat seine Wissenschaft. Jeder von uns beschäftigt sich mit Inhalten seines Bewusstseins. Ein Widerspruch zwischen beiden Wissenschaften ist dann nicht möglich; und es ist eigentlich müßig, sich um die Wahrheit zu streiten, ebenso müßig, ja beinahe lächerlich, wie es wäre, wenn zwei Leute sich stritten, ob ein Hundertmarkschein echt wäre, wobei jeder von beiden denjenigen meinte, den er selber in seiner Tasche hätte, und das Wort „echt” in seinem besonderen Sinne verstände. Wenn jemand die Gedanken für Vorstellungen hält, so ist das, was er damit als wahr anerkennt, nach seiner eigenen Meinung Inhalt seines Bewusstseins und geht andere eigentlich gar nichts an. Und wenn er von mir die Meinung hörte, der Gedanke wäre nicht Vorstellung, so könnte er das nicht bestreiten; denn das ginge ihn ja nun wieder nichts an.“

  5. Mein letzter Kommentar erinnert mich gerade an ein Internetportal, dass mir beim Ausloggen die Meldung anzeigt, dass ich mich erfolgreich ausgeloggt hätte.
    Ich kann mich also zurücklehnen und mir sagen, was für ein erfolgreicher Tag das doch heute wieder war (ironisch gesprochen).

    Das heißt bzw. das hieße, mein sog. Selbstwertgefühl hängt/hinge dann von der Anzeige der Meldung dieses Internetportals ab.
    Nebenbei bemerkt wusste bis vor Kurzem gar nicht, dass ich überhaupt ein Selbstwertgefühl habe bzw. dass es sowas gibt.
    Ich zähle dies schon ein bisschen zu den Fiktionen der Psychologie.

    Wie kriege ich jetzt den Bogen zum Grundeinkommen hin?
    – Na, ganz einfach, in einer Gesellschaft mit Grundeinkommen wären die Leute meiner Meinung nach nicht so sensibel und anfällig in puncto Erfolg, da es ja die existentielle Sicherheit des Grundeinkommens gäbe.
    Leider ist es ja heute auch so, dass teilweise Jobs gerade darauf basieren, auf andere manipulativ einzuwirken, was das Thema Erfolg angeht.
    Das bzw. die Notwendigkeit, solche Jobs ausüben zu müssen, entfiele dann auch.

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