Steigen oder fallen die Löhne mit einem Grundeinkommen?

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Wie wirkt sich ein Grundeinkommen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere auf die Löhne aus?

Diese Frage hat Prof. Jürgen Schupp, Forscher aus dem Deutschen Institut der Wirtschaft, bei einem Treffen mit der LAG Grundeinkommen der Grünen in Niedersachsen folgendermaßen beantwortet:

“Das kommt stark darauf an, woher die Motivation zur Erwerbstätigkeit kommt. Bei hauptsächlich extrinsischer Motivation, also wenn es bei der Tätigkeit vor allem darum geht, damit die Existenz zu sichern, werden die Arbeitnehmer von ihrer neuen Möglichkeit, “Nein“ zu sagen, Gebrauch machen. Dann müssten in der Folge die Löhne steigen, damit diese Arbeitsplätze weiterhin besetzt werden können. 

Bei den Jobs, die mehr intrinsisch motiviert gemacht werden, die also mehr Aspekte von Teilhabe und Selbstverwirklichung beinhalten, werden die Arbeitnehmer eher unbezahlte Mehrarbeit leisten oder geringere Einkommen akzeptieren, wenn sie schon ein Grundeinkommen haben. 

Ob in der Gesamtsumme also die Löhne steigen oder fallen mit einem BGE, hängt davon ab, wie viele Menschen wie heute extrinsisch oder intrinsisch motiviert sind.“

Ich teile diese Ansicht. Wobei selbstverständlich auch alle Zwischenformen möglich sind, bei denen sich sowohl extrinsische und intrinsische Motivation die Waage halten als auch durch ein Grundeinkommen die Löhne weitestgehend unverändert blieben. 

Aber genau diese Gleichzeitigkeit zweier vermeintlich gegensätzlicher erwarteter Effekte macht die Diskussion über ein Bedingungsloses Grundeinkommen schwierig. So wird oft gleichzeitig befürchtet, dass heute Erwerbstätige von den positiven Effekten der Arbeit ausgeschlossen werden könnten UND dass bestimmte Tätigkeiten nicht mehr gemacht werden. Nun, beides wird wahrscheinlich eine Rolle spielen und auf beides muss dann auch reagiert werden. 

 1. ) Durch Hilfe zur Vermittlung von erfüllender und Teilhabe ermöglichender Arbeit. Auf freiwilliger Basis und ohne Beschränkung auf sozialversicherungspflichtige Erwerbsarbeit. In den Niederlanden werden aktuell Feldversuche dazu gemacht, auch z.B. in Ehrenamtliche Tätigkeiten zu vermitteln. 

2.) Auf der anderen Seite ist die gewerkschaftliche und solidarische Durchsetzung von guten Löhnen und Arbeitsbedingungen dann fundamental wichtig. Unterstützt vom Grundeinkommen als “Streikkasse”. Dabei ist die Verhandlungsbasis deutlich besser als heute, sodass Dumpinglöhne und schlechte Bedingungen in systemrelevanten und fordernden Jobs hoffentlich schnell der Geschichte angehören würden. 

Warum erst mit Grundeinkommen?

Arbeitgeber, die sich darum Sorgen, keine Mitarbeiter mehr zu finden, wenn es ein Grundeinkommen gibt, sollten sich am besten heute schon fragen, wie sie die Arbeitsbedingungen attraktiver gestalten können. Auch heute schon ist die Klage über Fachkräftemangel eigentlich eine Weigerung, bessere Löhne zu zahlen und Bedingungen zu schaffen, unter denen jemand diese Arbeit machen möchte. Dann wird nach dem Staat gerufen, um Menschen durch Sanktionen – also Entzug der Existenzgrundlage – dazu zu zwingen. 

Tätigkeiten, die Spaß machen und/oder erfüllend sind, gibt es hingegen immer genug. Überall da, wo Menschen sind und leben, gibt es Bedarf an Fürsorge, Kreativität und Gestaltung des Lebensraums und des Miteinanders. Woran es heute mangelt, ist die Bezahlung für Pflege, Kinderbetreuung, Kultur gesellschaftliches und politisches Engagement usw.

Teilzeit für alle

Idealerweise würde sich daraus ein Dreiklang ergeben: Sicherheit durchs Grundeinkommen, zusätzliches Einkommen durch fordernde aber notwendige Tätigkeit und Selbstverwirklichung und Erfüllung, ohne dass dadurch auch noch Geld verdient werden muss. 

Ich lebe heute schon so. Ich habe das “Glück der Geburt” und bin durch mein Elternhaus bzw. mein Erbe abgesichert. Ich habe einen Beruf, der eine extrem lange Ausbildung erforderlich gemacht hat – nun aber auch heute schon sehr gut bezahlt wird, sodass ich nur in Teilzeit tätig bin. Und darüber hinaus freue ich mich, viel Zeit mit Familie und politischem Engagement verbringen zu können, ohne dabei in finanzielle Abhängigkeiten von Partnern oder Wählern zu geraten. Ich bin mir über dieses Privileg völlig im Klaren. Deswegen setze ich mich leidenschaftlich dafür ein, es allen in der Gesellschaft zu ermöglichen. 

2 Kommentare

  1. Wie Du ganz richtig schreibst, ist die Angst, die den Menschen gemacht wird, dass z.B. der Müll nicht mehr abtransportiert oder öffentliche Toiletten nicht mehr geputzt würden, insofern unbegründet, als sich hier zwei alternative Lösungen ergeben: entweder wird diese Arbeit so gut bezahlt, dass sich jemand dazu bereit findet, oder die Arbeit wird durch Maschinen ausgeführt werden. In beiden Fällen gewinnt die Gesellschaft. Wegfallen werden nur sinnlose Arbeiten wie das Entwickeln von Überraschungseiern!

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