Finnland probiert, Davos und Silicon Valley diskutiert, in Frankreich hat der französische Präsidentschaftskandidat Benoit Hamon mit dem Thema „bedingungsloses Grundeinkommen“ gerade die Vorwahlen der Sozialisten gewonnen.
Nach der Volksabstimmung zum Grundeinkommen in der Schweiz wollen viele Leute auch eine Volksabstimmung in Deutschland. Dies ist aber in Deutschland bisher (und absehbar) noch nicht möglich.
Im September 2016 wurde deshalb in München die Partei „Bündnis Grundeinkommen“ gegründet. Sie will die bestehenden Grundeinkommens-Initiativen unterstützen und das Grundeinkommen über eine Zweitstimmen-Kampagne in den Bundestag tragen. Die Form „Partei“ soll dabei dazu dienen, das Thema Grundeinkommen überhaupt bundesweit zur Abstimmung zu bringen.Partei als Notlösung. Das Bündnis Grundeinkommen hat nur dieses eine große Thema im Programm und hat bereits bei seiner Gründung die eigene Abschaffung im Falle des Erfolges beschlossen. Es geht also nicht um den Aufbau von Parteistrukturen und Machtpositionen. Ein Erfolg wäre die Einführung eines bedingunslosen Grundeinkommens nach den 4 Kriterien des Basic Income Earth Network (BIEN):
Es soll
die Existenz sichern und gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe ermöglichen
einen individuellen Rechtsanspruch darstellen
ohne Bedürftigkeitsprüfung ausgezahlt werden
keinen Zwang zur Arbeit bedeuten.
Noch eine Partei fragen viele Menschen? Ja – noch eine Partei! Und zwar eine, die gar keine sein möchte, die aufhören möchte mit der Logik, dass einige wenige Lösungen für alle finden und dass wir alle 4 Jahre unsere Stimme abgeben und den Rest der Zeit Zaungäste der Demokratie sind. Mit einem Grundeinkommen würden sich Machtstrukturen und Hierarchien umstülpen. Jeder und jede kann dann Lösungen finden. Individuell, familiär, regional, national, global. Hierin liegt wohlmöglich auch der Hauptgrund für den Gegenwind aus Teilen von Politik und Gesellschaft. Die Finanzierung wird es am Ende nicht sein, denn es gibt etliche Finanzierungsmodelle renommierter Wissenschaftler, die alle belegen, dass ein Grundeinkommen nach den 4 oben genannten Kriterien auf die eine oder andere Art finanziell umsetzbar ist. Versuche, die es weltweit gegeben hat, belegen zudem die positiven Auswirkungen: Es wurde weiter gearbeitet, nur anders, produktiver, variabler. Es führte zu besserer Gesundheit, mehr Bildung, weniger Kriminalität, mehr Selbstbestimmung. Das Grundeinkommen setzt auf Vertrauen in den Einzelnen, statt aus Angst und Unsicherheit Profit zu schlagen.
Seit Jahrzehnten taucht das Thema Grundeinkommen in Programmen der Grünen, Linken, Piraten u.a. auf, kommt aber nicht wesentlich von der Stelle, obwohl einige wenige Politiker seit Jahren dafür werben. Mal sind andere Themen wichtiger oder es fehlt angeblich an „Resonanzboden“ in der Gesellschaft.
Was man in der Pädagogik längst weiß, scheint in der Politik nicht relevant. Mit Angst kann man schlechter rechnen, zuhören, kreativ sein. Alle haben Angst, die einen um ihre Existenz, die anderen um ihren Einfluss. Aus Angst resultieren aber immer nur ängstliche Lösungen, ein fataler Kreislauf. Wir brauchen keine ängstlichen Schritte von einigen wenigen, sondern große und mutige von Vielen. Klares Denken und eine geistige Verfassung, die es erlaubt, weitsichtige Entscheidungen für die vielen Sorgen unserer Zeit zu treffen, kann man im Zustand von Angst und Erpressbarkeit nicht erwarten. Wir sollten also als ersten Schritt Existenzangst und Erpressbarkeit abschaffen. Dann sind Köpfe und Herzen frei zukunftsorientierte Lösungen zu finden. Diesen Rat würden wir uns vor großen Entscheidungen privat alle gegenseitig geben! Warum nur, denken wir was im Privaten gültig ist, spielt im “Grossen” keine Rolle? Einen verunglückten Menschen operiert man auch nicht, bevor man nicht erste Hilfe geleistet hat und seinen Kreislauf stabilisert hat. Und unserem gemeinsamen Kreislauf geht es nicht gut: Schwindel, Übelkeit, Antriebslosigkeit, Ohnmacht, kalte Hände und Füße wo man nur hinschaut.
Man kann es auch technisch ausdrücken: Dass wir unsere Computer und Mobiltelefone dauernd updaten und mit neuen Betriebssystemen noch fitter machen, finden wir normal. Wer aber über neue „Betriebssysteme“ für unsere Gesellschaft nachdenkt, wird schnell mit der Logik vergangener Jahrzehnte abgespeist. Das ist in etwa so, als wenn wir uns für die Lösung eines Problems mit dem neuen iPhone an das Fräulein vom Amt aus dem Jahre 1952 wenden wollten.
Ich weiß, dass es alle möglichen Argumente dagegen gibt: Für manche Wirtschaftsfachleute ist es die Finanzierung, für manche Humanisten die Angst, dass die ganze Debatte neuerdings so einen neoliberalen Drive kriegt, für manche wiederum die Sorge, das wir als Gesellschaft noch nicht so weit sind, mit mehr Freiheit umgehen zu können. Niemand sagt, dass ein solcherart eingeführtes Grundeinkommen ein Allheilmittel sei, dass es nachher nicht noch viel ausgereiftere, sinnvollere, schönere Ideen geben kann, aber “man muss anfangen, wo ein Anfang möglich ist“ (Willy Brandt). Für den Moment scheint es mir die positivste politische Vision zu sein, die es gibt, mithin eine bessere, echte Alternative. Nicht nur der Erfolg von Benoit Hamon zeigt, dass dafür im Moment ein realistisches Fenster offen ist.
Dies ist ein Gastbeitrag von ANNA-SOPHIE BRÜNING
Sie studierte Geige, Klavier und Dirigieren. Sie dirigierte renommierte Orchester und stand am Pult vieler Opernhäuser u.a. der Komische Oper Berlin, dem Nationaltheater Mannheim, dem Landestheater Innsbruck. Die mit diversen Preisen ausgezeichnete Künstlerin initiierte ausserdem mehrere Kulturprojekte im In-und Ausland. Zur Zeit lebt sie mit ihrer Familie in Hannover und engagiert sich für die Wählbarkeit des bedingungslosen Grundeinkommens durch das Bündnis Grundeinkommen für die BTW 2017. Sie steht auf Platz 2 der Landesliste Niedersachsen.
…. Um der Bündnis-Grundeinkommenspartei eine Chance zu geben, habe ich unterschrieben,
damit die Partei zugelassen wird, ich habe sie auch gewählt!
Und jetzt habe ich das Gefühl, dass es nicht weiter geht, und auch, dass es Zeit wird ….
Ich glaube nicht, dass das BGE eine Chance hat, wenn keiner den Mut hat, die Sache mit allen Konsequenzen sofort, und jetzt, und selbst, in die Hand zu nehmen.
Etwas politische Erfahrung wäre dabei von Vorteil.
Vor allem – nur das, was man selbst tut, wird dann auch den eigenen Vorstellungen genügen.
Keine der anderen Parteien wird das BGE in absehbarer Zeit konkret und mit den BGE-eigenen Vorstellungen favorisieren. Das sehe ich nicht wirklich!
Sie haben viel zu viel mit sich selbst und ihren eigenen Vorlieben zu tun.
Ich kann Frau Brüning in allem nur beipflichten!