Die Existenzangst* ist das Problem. Existenzangst kommt auf, wenn wir uns nicht mehr sicher sein können, dass die existenziellen Bedürfnisse des Lebens gesichert sind. Wenn wir uns nicht mehr sicher sind, im Zweifel ein Dach über dem Kopf zu haben, ausreichend Nahrung und Kleidung und alles andere, was für das Überleben von Körper und Geist erforderlich ist. Bei letzterem kommen auch noch Würde und Teilhabe an der Gesellschaft ins Spiel, denn erst das macht den Unterschied aus vom bloßen Überleben zum Leben.
Eigentlich bräuchte niemand in diesem Land Existenzängste zu haben. Nahrung ist im Überfluss vorhanden, ungefähr die Hälfte wird jeden Tag weggeschmissen. Auch Wohnraum, Kleidung, Möbel und die Dinge des täglichen Lebens stehen (zumindest theoretisch) im Übermaß zur Verfügung. Es haben leider nur nicht alle Zugang dazu.
Die Existenz muss man sich verdienen, durch Gehorsam der Familie oder dem Amt gegenüber. Wer nicht tut, was man von ihm verlangt, egal ob es um einseitig verabredete Termine, die Aufnahme von Arbeit oder inner-familiäre Verabredungen geht, dem wird mit Armut, Obdachlosigkeit und im schlimmsten Falle dem Tod gedroht. So ist unsere Gesellschaft momentan aufgebaut und viele finden das auch immer noch gut so.
Doch die Existenzangst zerstört unsere Würde, zerstört das vertrauensvolle Miteinander und Solidarität. Stattdessen werden Misstrauen, Kontrolle, Kriminalität und Krankheit geerntet. Der soziale Zusammenhalt im Land ist ernsthaft gefährdet, ebenso der Gesundheitszustand vieler.
Existenzangst war Mittel zum Zweck bei der Agenda 2010
Ich will nicht sagen, dass Existenzangst das Ziel der Agenda 2010 war, aber es war Mittel zum Zweck. Die Existenzangst wurde als Mittel zum Zweck etabliert, um die Menschen zu Arbeit zu zwingen, unter Bedingungen, die sie sonst nicht akzeptiert hätten. Und diese Existenzangst greift bis weit in die Mittelschicht hinein. Da helfen auch die Hinweise nicht, dass am Ende nur 400.000 Menschen tatsächlich von Sanktionen betroffen sind. Denn es braucht nur ein paar exemplarische Beispiele, um alle anderen zum angstvollen Gehorsam zu bringen.
Die Existenzangst wurde in der Agenda 2010 als Mittel eingeführt, um die Löhne zu senken und den Niedriglohnsektor auszubauen. Mit zynischem Erfolg wird nun darauf verwiesen, dass es kaum noch “Arbeitslose” gäbe. Zählt man alle (potentiellen) „Aufstocker“ hinzu, hat sich die Situation aber kaum gebessert. Nun sind zwar die meisten beschäftigt, aber genug Geld zum Leben haben sie deswegen noch nicht. Stattdessen ist jeder zweite Burn-out-gefährdet.
Die Existenzangst muss weg!
Die Existenzangst muss weg! Natürlich geht das am besten durch ein Grundeinkommen und darauf muss es auf mittlere Sicht auch hinauslaufen, wenn wir den sozialen Frieden und die Menschlichkeit im Land nicht noch weiter gefährden wollen. Aber die Existenzangst muss jetzt sofort weg, als erster Schritt. Und das geht über die Abschaffung der Sanktionen.
Erster Schritt: sanktionsfreie Grundsicherung
Mit einer sanktionsfreien Grundsicherung, so wie sie zum Beispiel von Robert Habeck von den Grünen jüngst vorgeschlagen wurde, wäre nicht nur denen geholfen, die heute von Sanktionen betroffen sind, sondern auch allen anderen, die Angst davor haben, irgendwann in eben solch eine Lange zu kommen. Eine sanktionsfreie Grundsicherung wäre der Anfang, um dem Grundgesetz wieder zu entsprechen und der Menschenwürde wieder etwas näher zu kommen. Wenn die Politik das nicht macht, wird es vielleicht das Bundesverfassungsgericht demnächst tun, dort werden die Sanktionen Anfang nächsten Jahres verhandelt.
Erhöhung der Transferleistungen
Der mindestens genauso dringende Schritt ist die Anhebung der Grundsicherung auf eine Höhe, die Würde sichert und Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht. Auch das wird von den Grünen und Linken schon länger gefordert. Das Problem daran sind die Kosten. Denn eine Anhebung des Existenzminimums bedeutet nicht nur höhere Regelsätze bei den Grundsicherungsempfängern, sondern auch höhere Freibeträge in der Einkommensteuer. Höhere Ausgaben und geringere Einnahmen kämen zusammen und alle Lösungen dafür sind politisch unbeliebt.
Und dann kommt noch ein dritter Effekt hinzu. Durch eine Erhöhung der Sozialleistungen würden sehr viel mehr Menschen zu “Aufstockern”. Denn viele verdienen schon heute nur “knapp drüber” und fielen dann mit in die Gruppe der Bezugsberechtigten. Das kostet nicht nur Geld, sondern auch politische Akzeptanz, denn das würde die Arbeitsamt-Statistik sehr negativ verschieben, mal ganz abgesehen vom zusätzlichen bürokratischen Aufwand.
Motivation zur Arbeit ohne Angst
Und dann hätten wir mit den „minimalen“ Veränderungen, also Sanktionsfreiheit und erhöhten Transferleistungen, noch einen ganz anderen weiteren Effekt. Die Motivation der Arbeitsaufnahme. Man kann dabei zwischen intrinsischer Motivation, also aus einem inneren Bedürfnis heraus, und extrinsischer Motivation, also von außen kommend, unterscheiden. Intrinsische Motivation ist essentiell für eine gute Leistung und sollte möglichst wenig durch äußere Faktoren gestört werden. Äußere Motivation kann in Form von Anreiz oder von Bestrafung erfolgen. Anreize unterstützen die intrinsische Motivation positiv, Bestrafung zerstören sie.
Ein System, in dem es viele “Aufstocker” gibt, hat kaum externe Anreize, denn diese bekommen den größten Teil ihres Lohnes wieder abgezogen (80, 90, zum Teil 100%). “Aufstocker” werden, wenn sie nicht von sich selbst heraus ihre Arbeit mögen, vor allem durch Angst vor Strafe “motiviert”. Fiele diese weg, wie bei einer sanktionsfreien Grundsicherung, könnte es tatsächlich schwierig werden, für manche Tätigkeiten noch ausreichend Arbeitskräfte zu finden. Denn das ginge in einer Gesellschaft mit sanktionsfreier Grundsicherung nur, durch positive Anreize, also höhere Löhne, Wertschätzung, gute Arbeitsbedingungen usw.. Die Löhne kämen aber im unteren Lohnsegment gar nicht bei den Leuten an, solange die Zuverdienstmöglichkeiten nicht verbessert werden. Ein echter Lohnabstand müsste wieder eingeführt werden. Das Lohnabstandsgebot ist im Zuge der Agenda 2010 abgeschafft worden und durch Zwang zur Arbeitsaufnahme ersetzt worden.
Wenn also im Schritt 1 die Sanktionen abgeschafft werden (durch die Politik oder das Bundesverfassungsgericht) und im Schritt 2 die Transferleistungen erhöht werden, dann müssen zwingend in der Folge als Schritt 3 auch die Zuverdienstregelungen verbessert werden. So weit ist Robert Habeck schon in seinem Vorschlag, die Linken mit ihrer sanktionsfreien Mindestsicherung sagen leider nichts über die Zuverdienste aus.
Die Bürokratie der Bedürftigkeit
Wie oben schon erwähnt, erhöht sich durch eine sanktionsfreie Grundsicherung in ausreichender Höhe die Gruppe der Bezugsberechtigten enorm. Schon durch den Wegfall der Sanktionen, kommen “am unteren Ende” einige wieder zurück ins System, die sich bislang mehr oder weniger legal so durchgeschlagen haben. Und am “oberen Ende” kommen je nach Höhe der Leistungen mehr oder weniger neue “Aufstocker” hinzu. Das bringt die heutige Bürokratie an ihre Grenzen, sodass die Bedürftigkeitsprüfungen sinnvoller Weise in Frage gestellt werden sollten. Sie kosten sehr viel Verwaltungsaufwand, befördern verdeckte Armut (also Menschen, die keine Leistungen beantragen, obwohl sie dazu berechtigt wären) und stigmatisieren Betroffene. Eine negative Einkommenssteuer, bei der das Finanzamt aufgrund der Einkommensteuererklärung entweder einen Steuersatz festlegt oder eben das für die Existenzsicherung fehlende Geld auszahlt, könnte da ein sinnvoller Schritt in Richtung zu einem “echten” Bedingungslosen Grundeinkommen sein, welches an alle vorab ausgezahlt werden würde.
*es geht im folgenden Text um die wirtschaftlichen/finanziellen Voraussetzungen der Existenz. Sonstige existenzielle Bedrohungen wie Krankheiten etc. sind ein anderes Thema.
Menschenrecht auf Existenz, auf körperliche Unversehrtheit und auf ein Leben in Würde sind die Grundbausteine der Demokratie.
Wer im reichen Deutschland von allem ausgeschlossen, wird selbst von einer KV-Grundversicherung, wird sich Radikalen zuwenden, welche Verbesserung versprechen und der Demokratie Schaden zufügen! Die 115 Krankenkassen fordern 8 Milliarden von Millionen Menschen rückwirkend ein, wobei schon ein Tag mit 50 Euro Säumniszuschlag bestraft wird! Diese Millionen sind Unversicherte welche nur das absolut nötigste erhalten und Ehrenamtliche Ärzte müssen sich um diese Opfer der deutschen Gesellschaft kümmern!
Auch heute im Freitag ein super Artikel zum selben Thema, auch er unterstützt Sanktionsfrei und da ich selber schon auf 90% Sanktioniert war, unterstütze ich Sanktionsfrei als Harzbrecher mit 6 Euro im Monat = eine Versicherung gegen Sanktionen:
https://www.freitag.de/autoren/burkhard-tomm-bub-ma/hartz-iv-sanktionen-keineswegs-nur-inhuman?fbclid=IwAR0A-ViGog9d2l4iJUbGRV-j7kOrNxr8_xu_AOUCj8IV5JCTW_BsMueg760
Existenzangst ist notwendig für die Obrigkeit, denn ohne Angst würden die normalen Menschen sich nicht freiwillig unterordnen und gehorchen. Die Elite wäre dann keine Elite mehr.
Glaubt mal besser nicht das die Herrschenden jemals freiwillig auf dieses Machtmittel der Angst verzichten. Deshalb wird es nie ein BGE geben. Es sei den es gibt zuvor eine Revolution welche die Machtelite hinweg fegt, das geht aber nicht durch einmal alle 4 Jahre wählen gehen. Dazu braucht es organisierte Machtmittel von unten welche über die geeignete „Schlagkraft“ verfügen. Nur wenn die Elite Angst vor uns hat wird Sie Zugeständnisse machen.