“Frauenquoten sind sexistisch”

Veröffentlicht von

“Frauenquoten sind sexistisch und ungeeignet, um echte Diversität herbeizuführen. Außerdem stellen sie die Leistungen von Frauen in Frage, indem der Verdacht geweckt wird, nur oder vor allem wegen der Quote auf einer bestimmten Position zu sein.” Diese Argumentation ist mir seit langem bekannt und ist ja durchaus auch berechtigt.

Trotzdem kann man Frauenquoten als probates Mittel betrachten, um Benachteiligung von Frauen aufgrund ihres Frau seins zu reduzieren und zumindest in einem Aspekt diverser zu sein.

Wir brauchen eine Männerquote

Um in Deutschland einer echten Gleichberechtigung näher zu kommen, müsste man meines Erachtens allerdings mindestens genauso dringend eine Männerquote einführen. In vielen Berufen, die für die psychosoziale Entwicklung von Kindern wichtig sind, sind Männer immer noch hoffnungslos unterrepräsentiert. Teilweise sind die Argumente sexistisch a la “Männer können sich nicht um Kleinkinder kümmern” oder ökonomisch “als Erzieher verdient man zu wenig”. Ersteres ist schlicht falsch, die Eignung als Erzieher hängt nicht von der geschlechtlichen Identität ab. Ich war sehr froh darüber, dass in der Kita meiner Kinder in jeder Gruppe ein Mann dabei war. Nicht nur als Rollenvorbild für die Jungs, sondern auch als “männliches Gegenüber” für Mädchen, deren Väter oft abwesend waren, sei es durch Arbeit oder nach Trennung.

Um einen höheren Männeranteil in den Care-Berufen zu bekommen, müssten diese allerdings besser bezahlt werden. Sonst sind zu wenig Männer bereit, den Beruf zu ergreifen. Und eine bessere Bezahlung würde dann auch den dort arbeitenden Frauen zugute kommen. Die Forderung nach Gleichberechtigung hat also einen zusätzlichen positiven Nebeneffekt.

Nebeneffekte von Quoten

Und so einen zusätzlichen positiven Nebeneffekt hat auch eine Frauenquote: Beim Startkonvent zum Grundsatzprogramm der Grünen im April hatte ich die Gelegenheit, die Effekte eine Frauenquote in der Politik live mitzuerfahren. Dort wurde eine sogenannte “weiche Quotierung” bei den Redebeiträgen angewandt. Das heißt, jeder zweite Redebeitrag sollte von einer Frau sein. Im Gegensatz zur “harten Quotierung” bei offiziellen Gremien wurde die Redeliste allerdings nicht beendet, wenn es keine weibliche Wortmeldung mehr gab, sondern die Männern durften weiter machen. Sobald sich dann wieder eine Frau gemeldet hat, kam sie als nächstes an die Reihe. Für mich war das ein ausgesprochen ungewöhnlicher Vorgang, allerdings sehr zu meinem Vorteil. Und man merke sich im Hinterkopf: “Wer bei den Grünen eine Botschaft rüberbringen möchte, der schicke eine Frau”.

Noch interessanter war allerdings die Bemerkung von dem Bundestagsabgeordneten Wolfgang Strengmann-Kuhn im anschließenden Gespräch zu dem Thema. Er lobte die Frauenquote aus Sicht eines Mannes vor allem, weil sich dadurch die Debattenkultur nachhaltig verbessert habe. Ähnlich wie bei den Erziehern, die besser bezahlt werden müssten, um mehr Männer einstellen zu können, muss eine Arbeitsatmosphäre geschaffen werden, in der Frauen zumindest nicht “schreiend wegrennen”. Das Argument vieler gegen eine Frauenquote, dass Frauen bestimmte Jobs schließlich gar nicht machen wollen würden, ist ja wahr. Nur die Konsequenz daraus sollte eben nicht sein, stattdessen eine überwiegende Männerdomäne zu akzeptieren, sondern die Arbeitsbedingungen so zu ändern, dass Frauen es auch machen wollen. Eine Art der Zusammenarbeit, die mehr auf Kooperation ausgerichtet ist denn auf Konkurrenz, wäre für alle besser, insbesondere für das Arbeitsergebnis. Familienfreundlichere Arbeitszeiten könnten ein weiterer Aspekt sein.

Frauenanteil im Netzwerkrat

Das Netzwerk Grundeinkommen wird von einem 8- bis 12-köpfigen Netzwerkrat geleitet, dieser wird alle 2 Jahre auf der Mitgliederversammlung gewählt. Bislang haben sich dort überwiegend Männer beteiligt, die wenigen Frauen sind immer relativ schnell wieder gegangen. Ich war also vorgewarnt, als ich im Februar 2018 in den Netzwerkrat gewählt wurde. In den letzten 9 Monaten durfte ich es nun also am eigenen Leib erfahren. Und ich kann sagen, das Arbeitsklima ist nicht besonders “einladend”, der Umgangston ist eher rau, und wenn man nicht zu allem Ja und Amen sagt, lassen persönliche Angriffe nicht lange auf sich warten. Ich habe mir vorgenommen, mich davon nicht abschrecken zu lassen, auch wenn es manchmal schwer fällt. Gleichzeitig würde ich mich freuen, wenn mehr Frauen im Netzwerkrat wären. Ehrlich weiterempfehlen kann ich es allerdings nicht. Deswegen möchte ich bei der nächsten Mitgliederversammlung eine Frauenquote für den Netzwerkrat beantragen. Nicht weil ich glaube, dass Frauen die besseren Menschen sind, sondern weil ich davon ausgehe, dass eine andere Arbeitsweise erforderlich wäre, wenn man dafür sorgen müsste, dass Frauen sich zur Verfügung stellen und auch dabei bleiben.

3 Kommentare

  1. Bei den PIRATEN gab es mal Überlegungen, eine Frauenquote einzuführen, allerdings nicht nach biologischem Geschlecht, sondern nach Selbsteinschätzung in Bezug auf die „Weiblichkeit“ des Arbeitsstils.
    Ich für meinen Teil würde z.B. nicht „als Mann“ im Netzwerkrat mitarbeiten; dass ich das nicht aushalten kann und will ist mir schon klar von dem, was ich als Außenstehender so mitkriege.
    Andererseits gibt es manchmal Frauen, die keine Probleme haben, im Haifischbecken mitzumischen, die würden dann auf der Männerliste antreten.

  2. Ein respektloser Umgangston schreckt nicht nur Frauen ab, sondern auch Männer. Mein Respekt gilt allen, die geduldig versuchen, eine etablierte dysfunktionale Arbeitskultur zu verändern, egal ob Mann oder Frau. Ich glaube, eine Frauenquote kann dabei hilfreich sein und befürworte sie. Eine „gegenderte Redeliste“ ist auch gut. Bei den Jusos ist sie in vielen Gremien seit langem Routine und führt regelmäßig dazu, dass Männer länger warten müssen als Frauen, um zu Wort zu kommen. Das alleine verändert aber noch nicht die Debattenkultur. Wünschenswert wäre es, wenn Frauen von sich aus öfter das Wort ergreifen würden. Aber dem steht oft die Sozialisation im Weg. Zum Netzwerkrat frage ich mich, ob es sich genug Frauen finden würden, die sich das antun wollen? Oder gibt es vielleicht doch noch andere Wege, dem Problem persönlicher Anfeindungen beizukommen?

  3. Schon erstaunlich, dass die Netzwerkrat-Leute noch nicht auf die Idee gekommen sind, sich zu fragen, warum bisher kaum Frauen in diesem Gremium mit vertreten sind?

Kommentare sind geschlossen.