Immer wieder taucht die Frage auf, wie sich ein Bedingungsloses Grundeinkommen auf die Gleichberechtigung der Frauen auswirkt. Ich möchte an dieser Stelle mal versuchen, ein paar Aspekte diesbezüglich zusammenzutragen.
Armut ist oft weiblich – das BGE ist effektive Armutsbekämpfung
Zunächst mal ist das Bedingungslose Grundeinkommen ein probates Mittel, um Armut effektiv zu reduzieren. Ein BGE, das Existenz sichert und Teilhabe ermöglicht, wäre also ein Gewinn für alle von Armut Betroffenen. Das sind in großer Zahl Frauen. Alte Frauen, deren Rente nicht reicht, um über das Niveau der Grundsicherung im Alter zu kommen. Alleinerziehende Frauen, die trotz Erwerbstätigkeit oft noch aufstocken müssen, um ihre Familien zu ernähren. Erwerbsunfähige Frauen ohne Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt.
Allein die Beseitigung dieser Armut ist eigentlich schon Grund genug, aus weiblicher Perspektive für ein Grundeinkommen zu plädieren.
Geld ist Macht – BGE als Autonomiepauschale
Nicht nur Frauen, die schon unter Armut leiden, sondern auch Frauen, denen mehr oder weniger mit Armut gedroht wird, gewinnen durch ein individuell ausgezahltes Bedingungsloses Grundeinkommen. Die ökonomische Macht innerhalb einer Familie wird mit einem BGE deutlich reduziert. Weder der Vater noch der Ehemann können eine Frau dann noch mit Existenzängsten dazu bringen, ihren Vorgaben zu folgen.
Das BGE ist ein gutes Mittel, um Zwangsheirat zu reduzieren oder einen Ausweg aus Gewalt in der Ehe zu bieten.
Care-Arbeit als Armutsfalle – BGE als Hoffnung und Gefahr zugleich
In traditionellen Familien bleibt oft die Frau bei den Kindern, erst ganz und später ergänzt durch Teilzeiterwerbstätigkeit. Das birgt ein großes wirtschaftliches Risiko, welches von vielen Frauen erst bei einer möglichen Scheidung erkannt wird. Beruflicher Aufstieg in Teilzeit ist selten und auch das Rentenalter nicht ausreichend abgesichert. Mit einem Grundeinkommen wären Frauen, die sich um die Familie (Kinder und oft auch Eltern/Schwiegereltern) kümmern, finanziell besser abgesichert. Und sie hätten auch bei gut laufender Ehe immer ihr “eigenes Geld”.
Dennoch gibt es gerade aus feministischer Perspektive viele Bedenken. Erwerbstätigkeit von Frauen wird oft als Emanzipations-Ideal verstanden. Ökonomische Notwendigkeit zur Doppelverdienerfamilie wird dann zum hilfreichen Argument. Denn es stimmt ja, durch ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle Familienmitglieder sinkt der Erwerbszwang. Es könnte also sein, dass mehr Frauen bereit sind, unbezahlte Care-Arbeit zu leisten. Dabei ist das BGE eben grad keine Herd-Prämie. Weil es alle bekommen, unabhängig von Erwerbstätigkeit oder Care-Arbeit.
Grundeinkommen ist für alle – unabhängig von Erwerbstätigkeit
Wer gerne erwerbstätig sein und sein berufliches Potential entfalten möchte, der sieht sich mit BGE einer beliebten Ausrede, aus dem Haus zu kommen, beraubt. Gleichzeitig sinkt allerdings auch die Abhängigkeit vom oft männlichen Familienernährer, sodass einer Selbstverwirklichung eigentlich weniger entgegensteht als heute.
Ich halte es für einen großen Irrtum, Erwerbstätigkeit von Frauen als Gradmesser für die Emanzipation zu betrachten. Das ist sie zumindest nur solange, wie durch Nicht-Erwerbstätigkeit eine finanzielle Abhängigkeit vom Partner manifestiert wird. Durch ein BGE wird diese aber aufgehoben oder zumindest deutlich reduziert. Genau wie Männer auch können Frauen mit BGE selbstbestimmter und flexibler ihre berufliche Tätigkeit gestalten. Egal ob es sich um soziales, politisches Engagement, Familienarbeit oder klassische Erwerbstätigkeit handelt.
Sorgen machen müssten sich eigentlich nur diejenigen Männer, die ihre Frauen heute hauptsächlich durch wirtschaftliche Mittel an sich binden. Gleichberechtigte Beziehungen auf Augenhöhe hätten stattdessen wenig zu befürchten.
Wenn Steuern nicht nur Geld einbringen, sondern auch das Verhalten steuern
Eine gleichere Verteilung von Erwerbs- und Familienarbeit könnte auch durch das Steuersystem positiv beeinflusst werden. Durch das Grundeinkommen würde der Steuerfreibetrag der Einkommensteuer ersetzt werden und damit auch das Ehegattensplitting obsolet. Denn dies ist die Übertragung des Grundfreibetrags auf den Ehepartner mit weiteren Effekten auf die Progression.
Statt dessen könnte eine deutlichere Progression in der Einkommensteuer einen ausgleichenden Effekt auf die Erwerbstätigkeit haben. Würde zum Beispiel der Eingangssteuersatz bei 10% liegen und der Spitzensteuersatz bei 90%, lohnt es sich deutlich mehr für bisher nur Teilzeit-Erwerbstätige, ein paar Stunden zu arbeiten. Ein Gutverdiener hingegen könnte im Vergleich durch weitere Stunden nur weniger weiteren Netto-Gewinn erlangen – ein Lenkungseffekt, der zu einer Verschiebung der durchschnittlichen Arbeitszeit von Männern und hin zu der von Frauen führen könnte.
Veranstaltungshinweis
Dieses Thema werden wir auch auf der Veranstaltung „Das Grundeinkommen und die Frauen – Chance oder Falle“ am Dienstag, 17. September 2019, von 19:00 bis 21:30 Uhr im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum (EVA), Saalgasse 15, 60311 Frankfurt am Main, diskutieren. Kommt vorbei und bringt Euch ein!
Servus Svenja, guter Artikel. Ich habe mich schon oft gefragt, wo und an welchem Ausgestaltungsmerkmal eines BGE man seinen feministischen Zuschnitt erkennen würde. Aus meiner Analyse sind die Höhe und die Bedingungslosigkeit ganz kritisch und ausserhalb der BGE die zu seiner Finanzierung herangezogenen Steuersystematiken. Das Ehegattensplitting fördert tatsächlich digitale Erwerbserhältnisse von Null und Voll. In Österreich gibt es das nicht. Eine starke Einkommenssteuerprogression hätte einen Arbeitseinkommen auf viele Köpfe verteilenden Effekt. Ich denke gerade darüber nach, ob das auch bei Null Prozent Einkommenssteuer und Sozialabgaben, also quasi freier Arbeit auch so wäre. Aus der Perspektive des Unternehmens wäre es feiner eine Arbeit auf ein Team aufzuteilen, damit bei Ausfall einer Person nicht so viel stehen, oder stecken bleibt. Teurer wäre es ohne Steuer auf Arbeit auch nicht wirklich, oder? lg Helmo
Als ich bei „durch exitenzaengste dazu bringen“ angelangt bin habe ich aufgehört zu lesen.
Frauen bringen sich selbst zu dem wie sie leben, das ist die erste und wichtigste perspektive. Das Grundeinkommen kann helfen das besser zu tun, und die Art und Weise Beziehungen einzugehen wird sich aendern…
Wir hatten bereits 2008 eine Veranstaltung zum Thema, auf der noch weitere Aspekte beleuchtet wurden:
http://bgekoeln.ning.com/profiles/blogs/frauen-und-grundeinkommen
Danke für den Hinweis, das PDF ist sehr lesenswert.
Basic Income March
Am 21. September 2019 beginnt in Berlin die Demonstration für ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Die Versammlung startet auf dem Alexanderplatz um 14:00 Uhr.
Viel Aufmerksamkeit durch Kreativität ist erwünscht.
Zusagen und Teilen nicht vergessen.
https://www.facebook.com/events/855792481488299/
Danke für den Hinweis. Ich bin auf dem Podium mit dabei. Gruß Baukje
Teilzeitstellen sind für den Arbeitgeber nicht wegen der Steuern teurer, die zahlt der Arbeitgeber ohnehin nicht. Sondern dann, wenn in die Kompetenz oder Kommunikation investiert werden muss. Es ist teurer zwei Chirurgen das handwerkliche Können beizubringen als einem. Es ist teurer zwei Manager über die wesentlichen Entwicklungen zu informieren als einem. Aber letztlich wird dafür entscheidend sein, welche Arbeitskräfte in welchem Umfang zur Verfügung stehen…
Ja, man könnte auf einer noch grundlegenderen Ebene sagen, dass das BGE die weiblichen Anteile in uns allen anzuregen und zu verwirklichen hälfe!
Die Frau könnte zu einer erfüllteren Weiblichkeit gelangen und der Mann zu einer erfüllteren Männlichkeit, indem er seine als typisch weiblich assoziierten Potentiale wie Empfindsamkeit und Beziehungsfähigkeit voller als bislang zu erfahren und auszuleben vermöchte.
Natürlich gehört dazu noch eine Menge mehr – ich möchte hier nicht zu weit gehen – aber damit stünden die zumindest äußerlichen Vorzeichen ausgezeichnet.
Sie haben, Frau Dobberstein, das Bedingungslose Grundeinkommen in einem Ihrer dazu veröffentlichten Videos als die „mütterliche Liebe“ umschrieben – und ich finde, die Metapher trifft es sehr gut. Allerdings ist dem Konzept genauso wenig auch das eher männertypische Hierarchiedenken wesensfremd, indem Wettbewerb und Gewinnstreben auch weiterhin freier Raum zur Entfaltung gewährt ist, ja vielleicht zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte erst auf wirklich solidem Fundament.
Das ist eben nicht der Sozialismus-Gedanke: „Alle sollen unbedingt gleich viel – oder wenig – haben!“, wofür er so oft missinterpretiert worden ist, sondern er geht im Gegenteil von einer Basis zur gegenseitigen Begegnung aus (und fällt nicht darunter ab), statt allen Respekt vor der Leistung anderer und alle Autorität abtöten zu wollen.
Verzeihung, falls Sie dies woanders schon ausgeführt haben sollten, jedoch ich hielt es für ganz an der Stelle .
Alfred.