Urban Gardening

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Ich ziehe eine unglaubliche Kraft aus meinem Garten. Der Kontakt zur Erde, die Pflege von Pflanzen, die Produktion zur Nahrung.

„Der Kontakt zur Erde hilft mir mich zu regulieren“

Ich bin mal gefragt worden, was ich ganz konkret tue um mich zu regulieren. Neben dem Blick nach innen, z.B. durch Tagebuch schreiben, ist mir die Erdung sehr wichtig. Manchmal wird mir die Welt um mich herum zu wirr, zu schnell, zu kompliziert und ich brauche mehr Resonanz. Dann ist ein Weg von mir, mich auf den Boden zu legen. Auf die Erde, oder die Wiese. Und zu spüren, wie ich im Kontakt bin, getragen werde. Dafür braucht man natürlich keinen ganzen Garten, das geht in jedem Park.

„die Pflanzen und ihr eigen-Leben“

Das mit-leben mit den Pflanzen ist ebenfalls wertvoll. Ich sehe sie wachsen, kommen und gehen. Mein Gespür für die Vegetation, die Jahreszeiten hat sich deutlich verändert seit dem ich einen Garten habe. Meine Wohnung verändert sich kaum, wenn ich mal eine Weile weg bin. Mein Garten schon. Die Pflanzen in ihrer Gesamtheit brauchen mich nicht. Sie gehen ihren Weg (im übertragenen Sinne) auch ohne mich. Gärtnern ist eingreifen, herrschen. Arbeiten gegen die Anarchie. Nicht nur das Recht der Stärkeren. Berichte über die Kommunikation von Pflanzen beeindrucken mich. Wobei ich je nach Züchtung so meine Zweifel habe, wie viel davon zerstört wurde.

„die eigene Nahrung zu produzieren ist sehr befriedigend“

Des Weiteren verschafft es mir viel Freude und Befriedigung eigene Nahrung zu produzieren. Bio, regional und saisonal ergibt sich dann von ganz alleine. Ich mag Supermärkte aus vielen Gründen ohnehin nicht. Aber das ganzjährig gleiche Angebot von standardisieren Produkten irritiert mich immer mehr. Gleichzeitig ist es politisches Statement, eine Selbstermächtigung und ein kleines bisschen weniger Abhängigkeit. Das es wirkliche Unabhängigkeit nicht gibt, ist mir auch klar. Gerade jetzt am Anfang des Sommers, stehe ich ohne viel dazutun in einer Fülle von Erdbeeren, Johannisbeeren und Kirschen. Das ist ein Paradies im Diesseits.

„Jeder könnte gärtnern, wenn er möchte“

Ich höre immer mal wieder, dass sich manche Leute keinen Garten leisten können. Das finde ich sehr schade. Und möchte auch dazu einladen, diese Aussage zu überprüfen. Es gibt in ganz Deutschland Kleingärten, Schrebergärten, Parzellen, Datschen oder wie auch immer sie regional genannt werden. Die Pacht ist (kommunal?) so geregelt, dass es sich eigentlich die meisten leisten können müssten. In Hannover sind es zB 42cent pro qm. Bei meinem Garten ergibt das zB 300€ pro Jahr. Selbstverständlich kann man sich so einen Garten mit mehreren anderen Teilen. Je nachdem können allerdings kosten für die Übernahme anfallen, insbesondere in Berlin habe ich da von hohen Summen gehört. Wer das zugegeben etwas verstaubte Image eines Kleingartenvereins nicht mag, hat aber noch mehr Möglichkeiten. In Hannover z.B. gibt es verschiedene Palettengärten die öffentlich zugänglich sind, zum Teil von Transition Town oder anderen Projekten betreut werden. Wer sich mit dem Gärtnern selbst nicht auskennt und es nicht einfach ausprobieren mag, im Internet gibt es eine Fülle von Informationen dazu. Vom Gartenblog für Anfänger bis YouTube Videos über Permakultur.

„Urban Gardening: wo Hipster und Senioren sich treffen“

Urban Gardening wird manchmal als neuer Hype dargestellt. Aber eigentlich ist es nur das wieder aufleben von etwas, das erst vor relativ kurzer Zeit verloren gegangen ist.

Meine Uroma hatte einen großen Dachgarten über der Tischlerei der Familie, damals in Tilsit. Nach der Vertreibung war sie immer auf der Suche nach einem Fleckchen Land und sehr enttäuscht, dass meine Oma keinen Bauern heiraten wollte. Sie hat überall gegärtnert. Bis zuletzt, mit über 90 Jahren, hat sie noch Tomaten im Vorgarten des Altersheims gezogen.