Warum ein Grundeinkommen für alle weniger leistungsfeindlich wäre

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Meine Familie sitzt nachmittags zusammen, es gibt Tee und Kekse. Meine Töchter sind 7 und 8 Jahre alt. Die Kekse werden gerecht verteilt, jeder bekommt gleich viele. Nach einer Weile haben 3 Personen ihre Kekse vollständig aufgegessen, ein Kind hat noch 4 Kekse vor sich liegen. Eine neue Packung wird geöffnet und wieder werden alle Kekse verteilt. Wären wir nicht zuhause, sondern im deutschen Sozialsystem, hätte ein Kind in der zweiten Runde keine Kekse mehr bekommen. Denn es hatte ja noch welche.

Es sind die kleinen Dinge im Alltag, an denen mir immer wieder auffällt, wie ungerecht unser Sozialsystem ist. Wie sehr Sparsamkeit und nachhaltiges Wirtschaften bestraft wird. Bei einer Bedürftigkeitsprüfung wird derjenige bestraft, der nicht bedürftig ist. Denn der bekommt nichts.

Letzten Sommer gab es Dürre. Viele Bauern hatten deswegen Ernteausfälle und haben eine Entschädigung bekommen. Die Bauern, die es besser gemacht haben, zum Beispiel durch Permakultur, gingen leer aus. Ist das gerecht?

In Solawis (solidarische Landwirtschaft) erhalten die Bauern ein festes Gehalt durch die Beiträge der Gemeinschaft und die Ernte wird auf die Teilnehmenden verteilt. Im letzten Jahr gab’s deswegen viele Äpfel, die haben von der Sonne profitiert, die Dürre hat nicht gestört. Und weniger Kartoffeln. Keiner ist verhungert, auch nicht der Bauer. Das Wetter ist nicht gerecht, aber wir Menschen könnten es schon sein. Durch Hilfe nach Bedürftigkeit erreichen wir das allerdings nicht.

Das Bedingungslose Grundeinkommen bekommt jeder, weil es das ist, was jeder zum Leben braucht. Wer darüber hinaus etwas leistet, hat mehr. Egal ob mehr Geld durch Erwerbsarbeit, mehr Anerkennung durch Ehrenamt oder mehr Gemeinschaft und Sinnhaftigkeit durch Care-Arbeit.

Wer mehr braucht als das Grundeinkommen, der kann das auch weiterhin haben. Entweder aus eigener Kraft, durch die Familie oder auch wie bisher durch staatlichen Leistungen. Aber das was alle brauchen, sollten auch alle zu den gleichen Bedingungen bekommen. Ohne Zwang zur Gegenleistung und ohne Nachweis des Bedarfs.

Es ist ein häufiges Missverständnis, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen Geld fürs Nichtstun wäre. Wer heute nichts tut oder nichts tun kann, bekommt auch heute schon Geld vom Staat, daran ändert sich nicht viel. Neu ist beim BGE, dass auch die Geld bekommen, die arbeiten.

2 Kommentare

  1. Ich stimme, wenn auch etwas modifiziert, zu. Die BRD ist ein Sozialstaat und hat als solcher das Wohl aller zum Wohle aller im Blick (oder sollte es haben). Wenn ein Staat diesen Auftrag dadurch erfüllt, dass er ein Netz spannt, das Bedürftige auffängt, würde ich das nicht als „ungerecht“ bezeichnen.
    Trotzdem bin ich der Meinung, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle gerecht ist – mit folgender Begründung: Deutschland ist ein reiches Land. Ungefähr 70 % unseres heutigen Reichtums haben wir unseren Vorfahren zu verdanken – durch Industrialisierung, Infrastruktur, technisches Know How … – , d.h. 70 % haben wir „geerbt“. Und da wir alle Erben sind, haben wir auch alle den gleichen Anspruch. Bei der gesetzlichen Vererbung empfinden wir das als ganz normal, dass jeder das Gleiche bekommt (mindestens den Pflichtteil), unabhängig von seinem Vermögen. Vielleicht könnte man das Bedingungslose Grundeinkommen als „Pflichtteil“ am gesellschaftlichen Reichtum bezeichnen, der mir zusteht. Wenn mir ein Bedingungsloses Grundeinkommen verweigert wird, ist das ungerecht.

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