Opium für das Volk?

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Anke Hassel befindet das Grundeinkommen für alle erst als süßes Gift und nun als Opium für das Volk

Das Bedingungslose Grundeinkommen sei Opium fürs Volk, schreibt die Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, in ihrem Beitrag vom 15.1.18 im IPG-Journal.

Als Beleg dafür nennt sie Experimente, die in den 70er Jahren in Kanada und USA zum BGE durchgeführt wurden und bei denen die Erwerbstätigkeit zurück ging. Insbesondere bei Frauen in Familien. Das wundert erstmal nicht, schon mal gar nicht zu der damaligen Zeit. Aber auch heute ist der Spagat zwischen Familie und Beruf nicht immer leicht, inzwischen merken das auch immer mehr Männer. Das weiß auch Frau Hassel, meines Wissens ebenfalls Mutter. Ein gewisser Rückgang von Erwerbstätigkeit insgesamt wird im Allgemeinen im Zusammenhang mit einem BGE auch erwartet und insbesondere bei Eltern kleiner Kindern nicht nur verständlich, sondern vielleicht auch gesellschaftlich wünschenswert.

Nicht nur, aber auch Frauen werden, wenn sie die Zeit zwischen Arbeit und Familie freier gestalten können, sich mehr Zeit für ihre Kinder nehmen wollen. Heute ist die drohende Armut, sei es direkt in dem Moment oder im Falle einer Trennung und nicht zuletzt im Alter einer der Hauptgründe, mehr zu arbeiten als gewünscht und vielleicht auch mehr als für die eigene Gesundheit und die der Kinder zuträglich. Ich sehe eine höhere Erwerbstätigkeit bei Frauen nicht nur als positive Errungenschaft der Emanzipation, denn das wäre es erst, wenn sich auf der anderen Seite die Familienarbeit auch gleichmäßiger verteilen würde. Wer also für die Gleichberechtigung der Geschlechter kämpft, der sollte sich auch für eine größere Wahlfreiheit der Männer einsetzen, für Auszeiten und Teilzeit-Optionen, damit diese ihren familiären Aufgaben überhaupt auch nachkommen können. Das inzwischen etablierte Elterngeld plus leistet dazu bereits heute einen wichtigen Beitrag.

Das anachronistische Ehegattensplitting, auf dem Familienmodell der 50er Jahre aufbauend, gehört meinethalben abgeschafft. Viel besser wäre es, wenn die heute steuerfrei gestellte Existenzsicherung vorab ausgezahlt würde, in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens. Und zwar Individuell! Das schließt ein Ehegattensplitting von selbst aus und würde eine deutliche Verbesserung der Autonomie von allen, auch von Frauen, bewirken. Egal ob verheiratet, geschieden oder welcher Lebensform auch immer sie angehören, die Existenz wäre gesichert und die der Kinder auch. Insofern würde ein Grundeinkommen einen wesentlichen emanzipatorischen Beitrag liefern. Eine Verquickung von Ehegattensplitting mit BGE wäre hingegen nicht zielführend, da stimme ich Frau Hassel zu. Aber das spricht eben gerade nicht gegen das Grundeinkommen, sondern vor allem gegen das Ehegattensplitting.

Und an dieser Stelle muss noch mal gesagt werden, es werden immer wieder scheinbare Gegenargumente bezüglich eines Grundeinkommens ins Feld geführt, bei denen das BGE mit „schlechter Politik“ kombiniert wird. Das ist meines Erachtens unlauter, denn das Grundeinkommen kann nichts dafür, wenn man es beispielsweise mit einem Rückbau von Bildungs- oder Sozialpolitik oder Veränderungen bei der Zuwanderung kombiniert.

Da es nicht „das Grundeinkommen“ gibt, sondern nur eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Vorschläge und Ausgestaltungen, lässt es sich tatsächlich schwer vorhersagen, welche Wirkungen damit einhergehend zu erwarten wären. Aber das sollte meinethalben eher dazu motivieren, das BGE so zu gestalten, dass es ins politische Gesamtkonzept passt, das derjenige befürwortet. Und eben nicht dazu, die ganze Idee abzulehnen, weil es auch Modelle gibt, die eben nicht gefallen.

Das andere Argument, das Frau Hassel in ihrem Beitrag nennt, ist das der Integration von Migranten. Dass dies eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe ist, darin stimme ich ihr zu. Und darin, dass Bildung und Teilhabe am Arbeitsleben einen wichtigen Baustein dazu liefern, auch. Das ist aktuell nicht ausreichend gegeben, denn im Moment werden die heimischen Arbeitnehmer vor Konkurrenz von Zuwanderern geschützt, indem diese keine Arbeitserlaubnis erhalten. Obwohl oft eine hohe Arbeitsbereitschaft besteht, werden sie zur Untätigkeit gezwungen und dann für die Bedürftigkeit von finanziellen Zuwendungen kritisiert. Ich bin dafür, dass alle mit einem legalen Aufenthaltsstatus ein Bedingungsloses Grundeinkommen erhalten. Und das Privileg der Arbeitserlaubnis und insbesondere des Arbeitsplatzes wird auch an Gewicht verlieren, wenn die Existenz auch ohne einen Arbeitsplatz schon gesichert ist.

Und ich gehe davon aus, dass die Zukunft der Arbeit, auch dank der Automatisierung und Digitalisierung, einem starken Wandel unterzogen sein wird. Sich dann für die Aufrechterhaltung der Repressalien der Jobcenter auszusprechen, damit auch weiterhin jeder gezwungen sei, im Zweifelsfall einen unzumutbaren Job anzunehmen, nur um die Arbeitslosenzahlen regierungsfreundlich zu gestalten, klingt für mich Menschen-verachtend. Ich kann mich leider grad nicht mehr konkret erinnern, ob das auch eine Aussage von Frau Hassel war oder von ihrer Kollegin Herrmann von der taz vor ein paar Monaten in der Phönix-Runde.

Ich bin der Meinung, dass wir uns über eine Befreiung von stupider, eintöniger und schwerer Arbeit durch Maschinen freuen können sollten. Das geht aber nur, wenn wir dadurch nicht existenziell bedroht werden. Arbeit, vor allem im kreativen und sozialen Sektor, wird es immer genug geben. Nur kann diese oftmals nicht so bezahlt werden, dass derjenige davon leben kann. Mit BGE muss er das auch nicht können, dann reicht es, etwas mehr Geld zu haben als ohne, und all die anderen positiven Aspekte von Arbeit wie auch Integration, Sinnstiftung, Tagesgestaltung etc. kommen trotzdem zum tragen. Selbstverständlich muss dafür das BGE so gestaltet sein, dass es zum einen wirklich existenzsichernd ist und zum anderen darf das Einkommen dann nicht zum größten Teil mit dem Grundeinkommen verrechnet werden.

 

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