In der Definition des Bedingungslosen Grundeinkommens fehlt ein wichtiger Zusatz: “Sozialleistungen, die über das Grundeinkommen hinaus gehen, bleiben erhalten” oder auch “Sozialleistungen werden durch das Grundeinkommen nur bis zu seiner Höhe ersetzt”.
Um die Definition zu erfüllen, muss ein Grundeinkommen hoch genug sein für die Sicherung von Existenz und gesellschaftlicher, kultureller und politischer Teilhabe. Alle Vorschläge zum Grundeinkommen, die diesen Aspekt der Definition nicht erfüllen, nennt man partielle Grundeinkommen. Die Sorge, dass das Grundeinkommen nicht reichen könnte zum Leben, ist also unbegründet. Wenn es nicht reicht, dann ist es kein Grundeinkommen, sondern nur ein partielles Grundeinkommen.
Nun könnte man anfangen, alle Einzelaspekte aufzuzählen, die erfüllt sein müssen, um Existenz und Teilhabe zu gewähren. Das können Wohnraum, Nahrung, Kleidung, Alltagsgüter, Mobilität, Gesundheitsversorgung oder auch erforderliche Mittel für Teilhabe sein wie die Kosten für ein Bier in der Kneipe, ein Geburtstagsgeschenk, eine Eintrittskarte und so weiter. Alles dies ist in der Definition allerdings eigentlich schon geklärt. Ob diese Dinge über Geld oder über Leistungen abgedeckt werden, wird nicht gesagt. Hätten wir zum Beispiel eine steuerfinanzierte Gesundheitsversorgung, bräuchte das Grundeinkommen keine Beiträge für die Krankenkassen zu enthalten. Ähnliches würde für öffentliche kostenlose Verkehrsmittel zur Gewährung von Mobilität oder kostenfreie Bildung gelten. Wenn diese Leistungen nicht bereitgestellt werden, müsste das Grundeinkommen entsprechend höher sein.
Aber das Grundeinkommen ist eine Pauschale, für alle in gleicher Höhe. Es ist eine Leistung für alle, gemessen am Bedarf der Vielen. Es wird aber immer Menschen geben, die individuelle Mehrbedarfe haben. Zum Beispiel durch Krankheiten oder Behinderungen können Kosten entstehen, die weit über das normale Maß hinaus gehen. Diese speziellen Kosten wären durch ein Grundeinkommen nicht abgedeckt, müssten aber trotzdem weiterhin bezahlt werden. Ich habe in der gesamten Grundeinkommensdebatte noch keinen getroffen, der ernsthaft in Frage stellt, dass solche bedarfsabhängigen Leistungen weiterhin vom Staat übernommen werden. Nicht einmal Thomas Straubhaar, der sich selbst als neoliberal bezeichnet, stellt das auf direkte persönliche Nachfrage in Abrede. Er habe ein Konzept “für die Vielen” entwickelt, wie man politisch mit den Ausnahme umgehe, interessiere ihn nicht besonders, aber er gehe davon aus, dass man dafür Lösungen finden werde. Und auch Götz Werner hat immer wieder klargestellt, dass individuelle Mehrbedarfe über ein Grundeinkommen hinaus bestehen bleiben müssten. Bei emanzipatorischen BGE-Modellen ist das ohnehin klar.
Gleichzeitig wird von den Gegnern des Grundeinkommens gerne das Argument ins Feld geführt, dass mit einem Grundeinkommen der Sozialstaat “geschleift” werden würde. Sahra Wagenknecht sagte derartiges jüngst bei Anne Will und auch Christoph Butterwegge droht gerne mit der Abschaffung des Sozialstaats durch ein Grundeinkommen.
Um dieser Kritik zu begegnen, plädiere ich dafür, der Definition des Grundeinkommens einen Passus hinzuzufügen, der lautet: “Sozialleistungen, die über das Grundeinkommen hinaus gehen, bleiben erhalten”. Das würde entsprechende Befürchtungen klären und wahrscheinlich fast niemanden der Befürwortenden ernsthaft vertreiben. Und selbst wenn, dann zurecht.
Es würden an dieser Stelle noch keine Aussagen darüber getroffen, wie mit den Sozialversicherungen umgegangen werden würde. Staatliche steuerfinanzierte Sozialleistungen hingegen sind heute schon fast alle an einen Einkommensnachweis gebunden. Und wenn das Grundeinkommen dort als Einkommen angegeben werden würde, würden die überwiegenden Leistungen entfallen. Falls nicht, blieben sie als individuelle Mehrbedarfe erhalten und es wäre sichergestellt, dass niemand schlechter gestellt wäre als heute. Aber viele besser.
Das ist ein sehr guter Hinweis und sollte im Netzwerk Grundeinkommen und anderen Organisationen unbedingt in die Grundsätze eingearbeitet werden.
Ich habe 20 Jahre mit behinderten Menschen gearbeitet. Diese haben immer Hilfebedarf. Übrigens sind die meisten Menschen mit Assistenzbedarf sehr fleißig und wollen unbedingt arbeiten, obwohl sie auch ohne Arbeit alimentiert werden.
Eine völlig richtige Forderung, sollte möglichst bei der nächsten Mitgliederversammlung des Netzwerks beschlossen werden.
Mir schwebt eine grundgesetzlich verankerte Drittelung dessen vor, was eine/die deutsche Volkswirtschaft jährlich verrechenbar als sog. BIP erwirtschaftet:
1/3 für ein bedingungsloses Grundeinkommen
– (mit diesem schwankend) – als festen Grundanteil am jeweils Erwirtschafteten;
– von Geburt bis Tod – : – belegt mit festen Vollkasko-Gesundheits-& Pflegevorsorge-Anteilen, nei Kindern zusätzlich mit Ausbildungs-Vorsorge-Anteilen;
– zuzuweisen allen (mehr als z.B. 2 Jahre ansässigen) Wohnbürger/innen gleich welchen Alters (für die Dauer ihrer Wohnbürgerschaft – im Alter lebenslang auch ins Ausland bei mindestens 40 (?)jähriger Wohnbürgerschaft)
(vgl: http://buergerbeteiligung-neu-etablieren.de/LBK/mat/denkbares%20BGE_MANIFEST.html)
1/3 für Gemeinschaftsaufgaben als Staatshaushalt
1/3 als Erwerbsarbeits- & Vermögens-Einkünfte
Das steuerliche Drittel umfasste:
– den Betrieb des staatl. Sektors (Parlament, Regierung, Verwaltung, Justiz, Strafvollzug, Infrastruktur, Sozialwohnungen, Bildungs- & Forschungs-einrichtungen, Kranken- & Pflegeeinrichtungen, Plattformen, Gutschein-Systeme im gesamten Kultur-Bereich, Polizei, Verteidigung (…?))
– parlamentarisch gesondert zuerkannte Abfederungsleistungen im Kontext besonderer Beschwernisse
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Mein Definitions-Ergänzungs-Satz würde (ganz gleich in welcher BGE-Konstruktion) lauten:
„Parlamentarisch gesondert zuerkannte Abfederungsleistungen angesichts besonderer Beschwernisse bleiben vom Recht auf ein BGE unberührt.“