Und noch ein Leserbrief

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Sehr geehrter Herr Mosmann,

Sie haben in Ihrem Schreiben um die Perspektive eines Grundeinkommens-Befürworters zu ihrem Artikel gebeten. Diese stelle ich hiermit zur Verfügung, auch wenn ich nicht zur Zielgruppe Ihrer Zeitschrift gehöre:

Ich freue mich darüber, wenn der Diskurs ums Bedingungslose Grundeinkommen breit geführt wird. Selbstverständlich tauchen dabei auch eine Menge Kontroversen, Missverständnisse und Irrtümer auf. Zwei fälschliche Grundannahmen, die Ihrem Text zu Grunde liegen, möchte ich hier aufklären:

Zum einen wird das Einkommen durch ein Grundeinkommen nicht komplett von der Erwerbsarbeit entkoppelt. Und zum anderen glauben auch viele Grundeinkommens-Befürworter nicht, dass menschliche Arbeit vollständig durch Maschinenarbeit ersetzt werden wird.

Maschinen ersetzten einen Teil der Arbeit, die zuvor von Menschen gemacht wurde, genau wie in Ihrem Beispiel Waschmaschine und Spülmaschine. Dieser Anteil wird immer größer und schon heute wird wesentlich mehr produziert als eigentlich gebraucht würde. Das heißt für die menschliche Arbeit, dass sie zwar nicht vollständig obsolet würde, aber sehr wohl immer weniger erforderlich ist. Und dann geht es um die Verteilung selbiger. Nun kann man dafür plädieren, und das tun neben Ihnen ja auch viele linke Gewerkschafter, dass die verbliebene Arbeit gerecht auf alle verteilt werden sollte. Das missachtet zum einen, dass Menschen längst nicht so austauschbar sind wie uns der Kapitalismus vielleicht glauben lassen möchte. Und zum anderen würde selbst bei gleichmäßiger Verteilung der Restarbeit mit heutigen Löhnen kaum noch ein lebenswerter Mindeststandard gehalten werden können. Das liegt schlicht daran, dass immer mehr Wertschöpfung und Gewinn über die von Ihnen als physikalisch bezeichnete Arbeit erlangt wird. Beim Grundeinkommen geht es darum, dass diese Gewinne gleichmäßig in der Gesellschaft verteilt werden. Und dann kann der Rest der Erwerbsarbeit nach Bedarf und Talent verteilt werden, ohne dass jemand existenziell bedroht würde. Bescheidenheit kann dann mit einer Arbeit einhergehen, die kaum oder nichts einbringt. Wer mehr Luxus möchte, hat bei der verbliebenen Erwerbsarbeit eine bessere Verhandlungsposition, um einen guten Lohn zu erzielen.

Die Variante künstlich neue Erwerbsarbeitsplätze zu schaffen, nur um die Möglichkeit zu schaffen, sich selbst ein Einkommen zu erarbeiten, halte ich für Verschwendung. An Ressourcen, falls dabei etwas produziert wird, das eigentlich keiner braucht, und auf jeden Fall an Lebenszeit.

Sowohl die unbezahlte als auch die bezahlte Arbeit würde von einem Grundeinkommen profitieren. Der einzige, der nicht glücklich würde, wäre der, der gerne andere dazu zwingen möchte, Aufgaben für ihn zu erledigen. Mit Grundeinkommen hat jeder die Wahl, weglassen, automatisieren, selbst machen oder andere so dafür bezahlen, dass sie bereit sind, es zu machen. Wer insgeheim weiß, wie viele Menschen er ausbeutet, bekommt davor Angst. Wer heute ausgebeutet wird und meint, das müsste so sein, möchte nicht, dass die anderen es sich besser ergehen lassen, und erkennt nicht, dass er selbst auch befreit würde. Ein Grundeinkommen hat, ganz frei von allen Glaubensansätzen, etwas damit zu tun, ob man sich selbst die Existenz gönnt und allen anderen auch.

Mit freundlichen Grüßen

Baukje Dobberstein

 

Ein Kommentar

  1. Das ist ganz toll ausgedrückt – wie ich es gerne auch geschrieben hätte. Gruss Carlos

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