Kindergeld für alle – kurz erklärt

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Ein „Kindergeld für Alle“ könnte ein Schritt in Richtung eines Bedingungslosen Grundeinkommens sein.

Die Grundidee

Beim „Kindergeld für alle“ soll – ähnlich dem heutigen Kindergeld – statt des Grundfreibetrags der Einkommensteuer ein partielles Grundeinkommen in Höhe von ca. 300 Euro an alle vorab monatlich ausgezahlt werden.

An alle? Ja, wirklich an alle. Das Prinzip des Kindergeldes soll auf alle hier (potentiell) Steuerpflichtigen angewendet werden.

Dadurch wird das Existenzminimum indirekt steuerfrei gestellt. Jeder potentiell Einkommensteuerpflichtige erhält die Steuer für das Existenzminimum schon vorab. Im Gegenzug wird der Steuerfreibetrag gestrichen und die Einkommensteuer fällt – in ansonsten unveränderter Art und Weise – ab dem ersten Euro an. Die gesamte Einkommensteuerkurve wird nach links verschoben.

Warum das Ganze?

Verwaltungsstrukturen

Es werden Verwaltungsstrukturen geschaffen, über die auch irgendwann ein ganzes existenzsicherndes Grundeinkommen ausgezahlt werden kann. Voraussetzung dafür könnte – ähnlich dem Kindergeld – ein einmaliger simpler Antrag sein, bei dem vor allem die Identität geklärt und die Kontoverbindung angegeben wird. Bezugsberechtigt sind alle hier Einkommensteuerpflichtigen.

Wie das verwaltungstechnisch aussehen könnte, darüber haben sich am Beispiel einer Öko-Dividende diverse Experten vom Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) schon mal Gedanken gemacht: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.799699.de/diwkompakt_2020-155.pdf

Erfahrungen mit bedingungslosem Geld für alle

Mit einem “Kindergeld für alle” können Erfahrungen damit gesammelt werden, wie sich ein bedingungsloses partielles Grundeinkommen von 300 Euro auf die Bevölkerung auswirken würde. Sowohl in Bezug auf das Verhältnis der Bürger zum Staat (jeder bekommt etwas) als auch hinsichtlich des Arbeitsmarktes (das verfügbare Einkommen der Arbeitnehmer wird nicht wesentlich verändert).

Verdeckte Armut reduzieren

Verdeckte Armut wird reduziert, vor allem im Bereich von potentiell Aufstockungsberechtigten und anderen, die aktuell ganz durchs Raster fallen.

Ohne Steuerreform oder höhere Kosten dem Grundeinkommen näher kommen

Das Ganze ist nahezu kostenneutral – ein wesentlicher Punkt in diesem Wahlkampf unter dem Eindruck der Corona-Schulden.

a) Es ergeben sich Einsparungen bei den Sozialleistungen. Dadurch dass der Bonus automatisch – ohne Gesetzesänderung – zu entsprechenden Transferentzügen führen würde. Für Hartz IV-Empfänger ändert sich hierdurch also nichts, dafür braucht man andere Reformen wie die Garantiesicherung.

b) Durch die Streichung des Freibetrags erhöhen sich effektiv die Einnahmen der Einkommensteuer (ESt) ohne tatsächliche Mehrbelastung der Bürger, die ja vorab den Steuerbonus erhalten haben. 

Woher kommen diese Zahlen?

https://www.bmf-steuerrechner.de/ekst/eingabeformekst.xhtml

https://www.smart-rechner.de/midijob/rechner.php

https://www.brutto-netto-rechner.info/

https://www.hartziv.org/hartz-iv-rechner.html

http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/034/1903415.pdf

Ein*e Alleinstehende*r mit Mindestlohn zahlt heute 2.129 Euro Einkommensteuer im Jahr. Wird der Freibetrag gestrichen, werden ihr/ihm 4.845 Euro vom Lohn abgezogen, also 2.725 Euro mehr als heute – dafür erhält sie/er vom Staat 3.600 Steuerbonus. Unterm Strich hat sie/er etwas mehr.

Einer/m Spitzenverdiener*in mit 96.000 Euro Jahreseinkommen würden durch die Streichung des Freibetrags 37.215 Euro Steuern vom Lohn abgezogen, statt bisher 32.876 Euro – also 4.339 mehr. Auch sie/er erhält einen Steuerbonus von 3.600 Euro im Jahr und hat damit unterm Strich etwa 50 Euro weniger Netto pro Monat. Falls das nicht gewünscht ist, könnte es durch einen insgesamt höheren Steuerbonus oder durch eine Günstigerprüfung – wie beim Kindergeld/Kinderfreibetrag – ausgeglichen werden. 

An diesen Beispielen fällt auf, dass ein*e Arbeitnehmer*in mit Mindestlohn viel weniger Steuerersparnis durch den Grundfreibetrag hat als ein*e Spitzenverdiener*in. Durch das Auszahlen des Steuerbonus für das verfassungsgemäß steuerfrei zu stellende Existenzminimum wird diese Umverteilung von unten nach oben beendet.

Und bei Familien? 

Das Kindergeld bliebe hier zunächst unverändert oder könnte davon unabhängig reformiert werden hin zu einer Kindergrundsicherung.

Für eine 4-köpfige Familie mit einem Alleinverdiener*in sieht die Brutto-Netto-Kurve so aus:

Ein wunderbarer Nebeneffekt wäre, dass das Ehegattensplitting damit aufgelöst werden würde. Das “Kindergeld für alle” wird an jeden individuell gezahlt, also auch an eine*n nicht-erwerbstätige*n Ehefrau/Ehemann. Jeder hätte dann 300 Euro “eigenes Geld”, der/die Partner*in könnte die steuerliche Entlastung nicht mehr für sich in Anspruch nehmen. 

Geht das auch ne Nummer kleiner?

Ja. Das Ganze ließe sich auch zunächst im Rahmen eines Grundeinkommes-Experiments durchführen und könnte mit realen Erfahrungen einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um die Zukunft der sozialen Sicherung in Deutschland liefern. 

Fazit:

  • Jede*r bekommt Geld vom Staat – nicht nur die Kinder
  • Dafür vom Arbeitgeber etwas weniger ausgezahlt – Steuern ohne Freibetrag
  • Verdeckte Armut wird reduziert (automatische Aufstockung)
  • 300 Euro sanktionsfreie Basis-Sicherheit
  • „eigenes Geld“ – auf für nicht-erwerbstätige Familienangehörige

2 Kommentare

  1. sehr schön!
    Ein modularer Weg zum BGE.
    Hier noch ein paar Vorschläge aus meiner Piratenzeit (2012), die m.E. den gleichen Weg zum BGE gehen:

    1. http://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2012.2/Antragsportal/PA544 (Vereinfachung und Erhöhung der MwSt. auf 25%)
    2. http://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2012.2/Antragsportal/PA416 (Mikrosteuer)
    3. https://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2012.2/Antragsportal/PA475 (Energiesteuer)
    4. http://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2012.2/Antragsportal/PA549 (Bodensteuer)
    5. http://wiki.piratenpartei.de/Antrag:Bundesparteitag_2012.2/Antragsportal/PA571 (Dividende aus der Geldschöpfung)

  2. Danke, Baukje, ganz in meinem Sinne. Ich hatte mutig 400 Euro vorgeschlagen aber darauf kommt es nicht an. Ein anderer Unterschied betrifft den Namen, über den ich mit Götz Werner auch schonmal ausgetauscht habe: ich spreche bewusst von Grundsicherung statt -Einkommen, weil in den Köpfen Einkommen immer mit Leistung verbunden ist. Werner meinte, na ja, das hat sich aber inzwischen so eingebürgert mit dem BGE (meine Seite bei Facebook heißt deswegen BAG Bedingungslose Allgemeine Grundsicherung): das ändert aber alles nichts am Prinzip. Die Forderungen nach einen BGE von 1200 im Monat u. d. sind zunächst chancenlos, weil die Hürde viel zu groß ist. Deswegen bin ich ganz bei Ihnen und frage mich, wie der Weg zur Durchsetzung aussehen könnte. Die Partei WiR2020 ? Siehe
    z. B. https://www.wir2020bw.de/programm/
    Herzliche Grüße!
    Christiaan
    (Molekularbiologe Uni Brüssel 1976 und seit 1981Pfarrer in der Christengemeinschaft z. Zt. in Münster)

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