Selbstbestimmt arbeiten

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Arbeit ist ein Menschenrecht. Wir alle wollen arbeiten. Wer nicht arbeiten will, ist krank. Wer nicht arbeitet, wird krank.

Arbeit bestimmt unser Leben. Arbeit ist ein Teil unserer Identität. 

Klingt provokativ? Vielleicht, ist es aber eigentlich nicht, bei genauerer Betrachtung. Als ersten wichtigen Punkt möchte ich klarstellen, dass ich allgemein von Arbeit spreche, nicht (nur) von Erwerbsarbeit.
Arbeit ist ein Menschenrecht. Zur Untätigkeit gezwungen zu werden, ist Folter. In unserem aktuellen deutschen Sozialsystem werden die Betroffenen zwar nicht zur Untätigkeit gezwungen, aber durch die Pflicht, sich dem Arbeitsmarkt (für sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten) verfügbar zu halten, wird es ihnen sehr schwer gemacht, sich eine andere Aufgabe zu suchen. Von einer niedrig bezahlten Zusatztätigkeit hat (finanziell) nur das Jobcenter etwas. Trotzdem werden Menschen in Maßnahmen gezwungen, die ihnen selbst nichts bringen, sondern nur der Statistik des Arbeitsamtes. Oder zu 1€-Jobs, die sie dann von einer anderen z.B. ehrenamtlichen Tätigkeit, besserer Selbstversorgung oder auch persönlicher Weiterentwicklung abhalten. Immer wieder erlebe ich, dass die Regelungen bei Hartz 4 einem Berufsfindungsprozess maßgeblich im Weg stehen. Und das, obwohl eigentlich hinlänglich bekannt ist, dass langfristige Arbeitslosigkeit krank macht. Die Kosten im Gesundheitssystem steigen weiter, aber die Ursachen werden den Individuen zugeschoben. „Selbst schuld“ schreit einem die Gesellschaft entgegen, wenn man es nicht geschafft hat, ein Rädchen im Getriebe zu werden.

Arbeit kann auch krank machen

Depressionen nehmen zu. Bei Arbeitslosigkeit, bei (zu) entfremdeter Arbeit (insbesondere wenn sie nur der Existenzsicherung dient) und sogar bei Eintritt in die wohlverdiente Rente steigt das Risiko an, krank zu werden.

Uns gehen die Normalarbeitsverhältnisse aus

Menschen wollen arbeiten. Im philosophischen Sinne der Arbeit, dieser erfasst alle Prozesse der bewussten schöpferischen Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur und der Gesellschaft. Ich bin für ein bedingungsloses Grundeinkommen, damit Arbeit neu gedacht wird. Für alle. Und nicht mehr auf Lohnarbeit reduziert wird. Uns geht nicht die Arbeit aus, egal wie viele Roboter es geben wird. Was uns ausgeht, sind Normalarbeitsverhältnisse. Darauf muss reagiert werden. Und mein Vorschlag wäre es, zum einen alle anderen Formen der Arbeit mit ins Boot zu holen und zum anderen die Existenzsicherung von der Arbeit abzukoppeln.

Natürlich kann Krankheit auch dazu führen, vorübergehend oder dauerhaft arbeitsunfähig zu sein. Auch diese Menschen müssen menschenwürdig versorgt sein.

 Dem bedingten Grundeinkommen liegt ein misstrauisches Menschenbild zugrunde

Es gibt viele Vertreter eines BEDINGTEN Grundeinkommens. Mit Arbeitspflichten und/oder Bedürftigkeitsprüfung. Dem liegt ein misstrauisches Menschenbild zugrunde. Das ist eigentlich vor allem traurig für die Menschen, die so denken, die so geprägt wurden. Sie haben Sorgen und Ängste: arbeitet dann keiner mehr? Werden wir dann alle untergehen? Muss ich verhungern? Ich würde sie gerne beruhigen, doch dem Wunsch nach Pflicht und Kontrolle nachzugeben, ist schädlich.

Es gibt ein natürliches Bedürfnis nach Beteiligung, intrinsische Motivation  zur Mitarbeit

Man hat in Untersuchungen mit Kindern gezeigt, dass es ein natürliches Bedürfnis gibt, zu helfen, zur Empathie, sogar zur Ethik. Jede Mutter könnte das von ihrem Kleinkind aus eigener Beobachtung bestätigen. Aber die Studien haben auch gezeigt, wie diese intrinsische Motivation sich einzubringen gestört werden kann: indem man sie belohnt. Ein Kind das über Lob oder Süßigkeiten für seine „gute Tat“ belohnt wird, hört damit auf bzw. macht es in Zukunft nur noch für eine Gegenleistung. Es wäre jetzt sehr interessant zu gucken, ob großzügige, gebende Menschen in ihrem Leben andere Erfahrungen gemacht haben. Leider habe ich dazu bisher nichts gefunden. Für einen Hinweiss oder Quelle wäre ich dankbar.

Gegenseitige Abhängigkeiten auflösen und durch Vertrauen ersetzen

Es geht um die Reziprozität (die wechselseitige Abhängigkeit), wie der ansonsten von mir sehr geschätzte Niko Paech es formuliert. Also auf deutsch, dass man nur etwas bekommt, wenn man etwas gibt. Oder nur etwas gibt, wenn man etwas bekommt. Moralisch gesehen, eigentlich ein schlechter Charakter, aber trotzdem die Grundlage unseres politischen und wirtschaftlichen Systems. Das Prinzip von Angebot und Nachfrage geht sogar davon aus, dass Geben und Nehmen im Gleichgewicht stehen. Ich denke der Beweis, dass dem nicht so ist, wird gerade in vielen marktwirtschaftlich geprägten Gesellschaften erbracht. Zumindest was die Bezahlung von Arbeit angeht, ist der Bezug zwischen Leistung und Lohn längst nicht mehr gegeben.

Wenn wir alle (eigentlich) intrinsisch motiviert sind und uns das voneinander unabhängige Geben und Nehmen nur mit der Zeit abhandengekommen ist, durch die Erfahrungen, die wir gemacht haben, dann wäre es doch gut zu gucken, ob dies durch andere Erfahrungen wieder zu ändern ist. Wir könnten ein Experiment oder einen Feldversuch starten, und es einfach mal ausprobieren.

Mein Leben ohne Wechselkurs

Ich spreche hier oft von wir, obwohl ich selbst eigentlich inzwischen anders denke. Ich für meinen eigenen Teil habe den Glauben an die Reziprozität schon seit längerem aufgeben. Ich gebe, was ich geben kann, und ich nehme/fordere ein, was ich brauche. Es gibt dazu keinen Wechselkurs. Meine eigene Verfassung, meine Lebensumstände, meine Fähigkeiten und meine Bedürfnisse sind nicht immer gleich. Nicht bei mir selbst, im zeitlichen Verlauf und schon gar nicht im Vergleich mit anderen. Früher habe ich alles aufgerechnet und mich ständig ungerecht behandelt gefühlt. Aber ich habe gelernt und erfahren, dass das nichts bringt. Ich habe nichts davon, mich mit anderen zu vergleichen. Um zufrieden zu sein und ein erfülltes Leben zu haben, muss ich mich darum kümmern, dass ich bekomme, was ich brauche. Und dann kann ich alles hergeben, was mein eigenes Potential zu bieten hat. Was andere brauchen und bieten können, hat mit meiner eigenen Lebenszufriedenheit überhaupt nichts zu tun.

Vergleich macht hungrig, gierig und unersättlich

Im Gegenteil, schon der Vergleich selbst macht hungrig, gierig, unersättlich. Seit ich nicht mehr gucke, was die anderen haben, sondern nur noch, was ich selbst brauche, benötige ich viel weniger UND es geht mir besser. Ich würde mir wünschen, dass noch mehr Menschen diese Erfahrung machen. Weniger Angst, mehr Würde, weniger Vergleich, mehr Leben.

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen als institutionalisiertes Vertrauen

Ein bedingungsloses Grundeinkommen kann diese Erfahrung institutionalisieren. Es wäre nicht mehr die unsichtbare Hand des freien Marktes, die uns knechtet, sondern die fürsorgliche des Staates. In kleineren Gruppen von Menschen, die in der Existenzweise des Seins (nach E. Fromm) leben, funktioniert das auch ohne Staat und ohne Geld. In einer komplexen Gesellschaft wie z.B. der deutschen, und mit den Voraussetzungen der leistungs-, vergleichs,- und misstrauensgeprägten Bevölkerung wäre ein bedingungslos in Geld ausgezahlter Betrag die richtige Richtung.

Würden wir denn dann noch arbeiten?

Aber noch mal zurück zur Arbeit. Würden wir denn dann noch arbeiten? Ich sage JA. Noch mal zur Erinnerung, ich spreche von allen Formen und Ausprägung von Arbeit.
Spielen dann alle nur noch Saxophon oder malen Bilder? Ich sage NEIN. Es wird all die Arbeit gemacht, die für notwendig und sinnvoll erachtet wird. Auch die Drecksarbeit? JA. Wenn sie notwendig und sinnvoll ist. Welche Mutter wickelt ihr Kind nicht, nur weil sie es vielleicht eklig findet? Wer putzt sein eigenes Klo nicht? Mal abgesehen von denen, die es nicht können. Jeder sieht ein, dass es gemacht werden muss. Es geht also eigentlich nur um die Zuständigkeit. Und die kann man klären. Mit Hilfe sozialer Regeln (wie ein Putzplan in einer WG) oder mit Hilfe von Geld. Also entweder teilt man sich auf, macht es selbst oder bezahlt jemanden dafür, dass er es macht. Das ist jetzt auch schon so. Das würde auch so bleiben. Derjenige, der es macht, macht es für sich, für die Gruppe oder für einen zusätzlichen finanziellen Bedarf, der über das Grundeinkommen hinausgeht.

Und was ist mit der Arbeit, die keiner sinnvoll oder notwendig findet? Die lassen wir sein.

Dieser Artikel ist aus dem August 2015 und wurde hier nach Überarbeitung noch mal veröffentlicht. 

3 Kommentare

  1. Der Samstagabend liegt nackt auf meinem Balkon. Der Mond versteckt sich hinter einem Feld aus dicken Wolken. Sterne nutzen die Gelegenheit, sie reden mit dem Universum. Das wiederum zeigt seine unendliche Grösse…und schluckt alles, schickt es in weitere, andere Dimensionen. UND ähnlich
    er geht es der Arbeit. Wenn erst mal die Welt der Roboter richtig Fuß erfasst hat, hat auch die Arbeit ihre Arbeit getan. Dann haben die Roboter und andere künstlich erschaffende Wesen die Fabrikarbeitsplätze besetzt, die Bürotätigkeit wird von Mit.-Denkenden Schreibautomaten übernommen, das Telefon wird gleich nach GEBURT IMPLANTIERT…auf diese Weise ist Jeder mit Jedem von Haus aus verbunden. EINZIG Sinnvolle Arbeit ist das Arbeiten an Sich. Schon deshalb ist das Grundeinkommen für „Jedefrau“ sowie „Jedermann“ NOTWENDIG. Peter Rubin, Dichter dran…
    „Alles ist Poesie!“noch ein PS: DIE NORMALEN ARBEITSPLÄTZE werden vom Technischen Fortschritt EH ELIMINIERT…In zunehmender Geschwindigkeit…das neue Schlagwort wird dann heißen…Wir sind ARBEITSFREI…Eine kleine Minderheit wird dann NUR noch Zugang zu Arbeitsplätzen haben…also…

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