digitale BDK 2020

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Die diesjährige Bundesdelegiertenkonferenz #dbdk20 von Bündnis 90/Die Grünen fand digital statt. Im Jahr zuvor in Bielefeld waren sich Daniel Fehér, Wolfgang Strengmann-Kuhn und ich über den Weg gelaufen und wir hatten gemeinsam beschlossen, die Aktivitäten bezüglich des Grundeinkommens in Richtung Grundsatzprogramm noch mal deutlich zu intensivieren.

Der Antrag

Eines der Ergebnisse war eine Reihe von Änderungsanträgen, die ich in Zusammenarbeit mit und im Auftrag vom Grünen Netzwerk Grundeinkommen gestellt habe. Die am Ende mit weiteren Antragstellern und der Antragskommission konsolidierte Fassung möchte ich euch hier noch mal aufführen:

Soziale Garantien

(293) Die Basis sozialer Garantien erfolgt durch ein Grundeinkommen nach dem Prinzip der Teilhabegerechtigkeit. Das Grundeinkommen soll als unveräußerlicher Rechtsanspruch allen Mitgliedern der Gesellschaft individuell zustehen und ohne eine Bedürftigkeitsprüfung oder Gegenleistung ausgezahlt werden. Die Höhe des Grundeinkommens muss existenzsichernd sein und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Besonderer Bedarf wird durch besondere Leistungen berücksichtigt. So soll jedem Menschen ein Leben ohne Existenzangst ermöglicht werden. Über das Grundeinkommen hinausgehende Leistungen berücksichtigen die konkrete Situation. Ihre Inanspruchnahme darf nicht durch bürokratische Hürden in den Antragsverfahren faktisch verhindert werden. Im Gegensatz zu Hartz IV motiviert das Grundeinkommen zu Erwerbsarbeit, indem diese sich immer lohnt und honoriert wird.

(295) Existenzsichernde Sozialleistungen sollen zusammengeführt und Schritt für Schritt zu einem Grundeinkommen für alle ausgebaut werden. So schaffen wir einen transparenten und einfachen sozialen Ausgleich. Verdeckte Armut wird überwunden.

Die Einbringung

Eingebracht habe ich den Antrag per digitaler Videokonferenz-Übertragung von zuhause aus. Mit einem zweimonatigen Baby ist das nicht unbedingt ein Nachteil, auch wenn man quasi überhaupt keine Resonanz bekommt oder gar in Interaktion mit den Zuhörern gehen könnte.

Zum Nachlesen:

Liebe Freundinnen und Freunde,

In der letzten Zeit höre ich oft, dass Menschen „unverschuldet“ in Existenznöte geraten seien. Doch wer ist schuld, wenn das Einkommen nicht zum Leben reicht?

Eine Krankheit, ein schlechter Arbeitgeber, der falsche Lebenspartner oder die falschen Talente?

Existenzängste machen krank – das erlebe ich als Hausärztin und Psychotherapeutin immer wieder. All die entwürdigenden Fragen, komplizierten Anträge und Abwertungen der Mitmenschen. Ausgerechnet dann, wenn man eh schon am Ende seiner Kräfte ist.

Gerade jetzt während der Corona-Krise sieht man sehr deutlich, wie Viele die Leistungen gar nicht beantragen, die ihnen eigentlich zustehen.

Die Antragsverfahren und Bedürftigkeitsprüfungen in unserem Sozialsystem sind höchst stigmatisierend und verursachen unweigerlich verdeckte Armut – also ein Leben unterhalb des Existenzminimums.

Und genau diese Antragsverfahren bleiben bei der Garantiesicherung erhalten. Die Garantiesicherung ist ein notwendiger und dringender erster Schritt und gehört auf jeden Fall ins Wahlprogramm im nächsten Jahr. Aber was die Bedürftigkeitsprüfungen angeht, ist es letztlich Hartz IV light – das reicht nicht als Ziel für die nächsten 20 Jahre.

Verdeckte Armut, Existenz- und Abstiegsängste machen hilflos und wütend. Wir dürfen es nicht riskieren, dass der gemeinsame Grund unserer Gesellschaft weiter austrocknet und jeder nur auf seiner eigenen Scholle lebt. Da gebe ich Robert völlig recht.

Der Mensch in seiner Würde und Freiheit, diesen Anspruch haben wir mit diesem Programm und dem sollten wir auch gerecht werden. Mit einem Grundeinkommen für alle schaffen wir die soziale Sicherheit, die genau das ermöglicht. Ein selbstbestimmtes Leben in Würde und Freiheit.

Das Grundeinkommen ist kein Almosen für Bedürftige, sondern eine faire Basis für alle. Damit kann jeder sein eigenes Potential besser entfalten. Egal ob im Ehrenamt, unbezahlter Familien-Arbeit oder mit zusätzlichem Einkommen durch Erwerbstätigkeit. Niemand fällt mehr durchs Raster – Schluss mit dem Dauer-Reparaturmodus von Flickenteppich unseres Sozialsystems.

Wir wollen Politik für alle machen? Das Grundeinkommen gibt allen den Halt, den wir für die anstehenden Veränderungen brauchen. Wenn die Regale umgebaut werden im Supermarkt des Lebens. Es gibt uns Sicherheit in Zeiten des Wandels.

Wir haben hier und heute die Gelegenheit, das Grundeinkommen als Ziel im neuen Grünen Grundsatzprogramm zu verankern.

Es ist eine mutige Vision für die nächsten Jahrzehnte. Laut Umfragen wollen unsere Wähler das längst – trauen es sich und allen anderen zu. Auch wir sollten heute diesen Mut aufbringen und jedem die Existenz gönnen – ohne Wenn und Aber.

Dafür brauche ich eure Hilfe. Bitte stimmt dafür, das Grundeinkommen als wesentlichen Baustein ins Programm aufzunehmen. 

– Vielen Dank

oder zum Anschauen:

Außer mir waren vor der Abstimmung nur „Partei-Promis“ auf der digitalen Bühne. Vom Mitglied des Berliner Abgeordnetenhaus Stefan Ziller, der ebenfalls für meinen Antrag gesprochen hat, über den sozialpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion Sven Lehmann und der Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, die für den Kompromiss-Antrag „Variante 2“ geredet haben, bis zu dem ehemaligen ver.di-Chef Frank Bsirske und der Bundesvorsitzenden Annalena Baerbock, die den Antrag, der nur eine verbesserte Grundsicherung, Garantiesicherung genannt, beinhaltete, vertreten haben und die beide deutlich gegen das Grundeinkommen plädiert haben.

Das Ergebnis

Im Meinungsbild hatte jeder Delegierte bis zu 3 Stimmen. Mein Antrag hat von den insgesamt 735 Delegierten 236 Stimmen bekommen, die Variante 2 von Sven 438 und die des Bundesvorstands 369.

Ein durchaus beachtliches Ergebnis in einer Partei, die sich vor 13 Jahren mal knapp gegen das Grundeinkommen ausgesprochen hatte und seitdem um dieses Thema drumherum geschlichen ist, ohne es auf Bundesebene noch mal zu einer Abstimmung kommen zu lassen.

In der anschließenden Abstimmung standen nur noch der Kompromiss-Antrag mit „Garantiesicherung + Leitidee Grundeinkommen“ und die BuVo-Variante ganz ohne Grundeinkommen zur Auswahl.

Da haben sich die Delegierten mit deutlicher Mehrheit von rund 62 % für die Leitidee Grundeinkommen ausgesprochen. Darüber was das heißt, habe ich einen separaten Artikel geschrieben.

Ein Kommentar

  1. Interessant wäre eine reine Abstimmung zwischen BGE und „Garantiesicherung“ gewesen.

    Vielen Dank für Ihren heldenhaften Einsatz für das BGE!

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