Emanzipation für Alle

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Am Dienstagabend wurde in der Phoenix-Runde über das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) debattiert. Dabei wurde das Argument genannt, dass BGE sei ungerecht für Singles. Denn wenn die dann alleine von beispielsweise 1000 Euro zu leben hätten, stände eine 5-köpfige Familie mit 5x BGE deutlich besser da. Das ist nicht ganz falsch, selbst wenn die meisten Modelle nur mit einem halben BGE für Kindern rechnen. Dann hätte diese Familie schon 3500 Euro nur durch das Grundeinkommen, Zuverdienst frei möglich.

So bestechend diese Ansicht vielleicht für die Skeptiker des BGE klingt, so befremdlich ist es doch, wenn man sich im Umkehrschluss die heutige Situation anguckt. Heute leben viele alleine oder zu zweit von Gehältern, von denen man eigentlich eine ganze Familie ernähren könnte. Oder können sollte, je nach Beruf. Diese DINK (Double-income-no-kids) werden dann, wenn sie klassisch verheiratet sind, auch noch vom Grundgesetz geschützt und vom Finanzamt mit dem Ehegattensplitting gefördert.

Sobald man in Deutschland Kinder bekommt, kann man anfangen, sich mit dem Armutsrisiko auseinander zu setzen. Denn Kinder kosten Geld. Und gleichzeitig reduziert sich das Einkommen, selbst mit Elterngeld. Wer sich um die Kinder kümmert, wird wirtschaftlich abhängig vom Partner. Das Kindergeld deckt nicht mal die Basiskosten, geschweige denn die für die Kinderbetreuung, die man braucht, um weiterhin seinen eigenen Lebensunterhalt verdienen zu können. Als Alleinerziehende zahlt man (fast) den gleichen Steuersatz wie ein Single, wenn man nicht ohnehin zum Amt muss.

Ein Grundeinkommen für alle wäre also, unter anderem, eine wirklich effektive Familienförderung. Für die Mütter, die eine Weile zuhause bleiben möchten, ohne Angst zu haben, bei Trennung oder im Alter ihre Existenz nicht mehr sichern zu können. Für die Eltern, die Teilzeit arbeiten möchten, um sich um die Kinder kümmern zu können. Für die Kinder, die auch an Klassenfahrten teilnehmen können, ohne erst beim Jobcenter in der Schlange stehen zu müssen. Für die ungeborenen Kinder, die heute abgetrieben werden, weil keiner weiß, wovon man sich versorgen sollte. Für die Väter, die schuften, um ihrer Familie ein bisschen Sicherheit bieten zu können, und jeden Morgen mit dem Damoklesschwert der Kündigung über dem Kopf zur Arbeit gehen.

Das Bedingungslose Grundeinkommen, individuell ausgezahlt, existenzsichernd ohne Gegenleistung und rechtssicher, wäre eine massive Umverteilung, finanziell und vor allem in der Macht. Es macht unabhängiger und freier. Es wäre eine Emanzipation für alle. Kinder, Frauen, Männer und alles dazwischen.

Zu guter Letzt noch ein paar Gedanke für all diejenigen, die meinen, dass man Familien nicht fördern dürfte, weil dann „die da“ noch mehr Kindern bekommen würden. Erstens möchte man ja Kinder, oder wollt Ihr aussterben? „Ja, aber nur zukünftige CSU-Wähler.“ Wer, glaubt Ihr, zahlt später die Rente? Ja genau, keiner (siehe BGE statt Altersarmut). Aber trotzdem muss noch jemand die Waren und Dienstleistungen (z.B. Pflege) bereitstellen, die alle brauchen, auch die Alten.

Die Gesellschaft braucht Kinder schon, um fort zu bestehen, ganz egoistisch. Und menschlich? Kinderarmut als Erpressungsversuch der Geburtenkontrolle ist abartig. Und außerdem könnten sich auch die mittleren Einkommens- und Bildungsschichten wieder leichter für Kinder entscheiden, denn Wohlstandsverlust/Armutsrisiko spielt sehr wohl eine Rolle bei der Realisierung des Kinderwunsches.  Aber zum Glück lassen sich Kinder nicht so planen wie ein Sommerurlaub, weder in die eine noch in die andere Richtung.

Freiheit, Selbstbestimmung, stabile soziale Beziehungen, Anerkennung, Sinn und existenzielle Sicherheit sind die Dinge, die uns als Menschen ausmachen. Am Ende zählt die Liebe.

2 Kommentare

  1. „Kinderarmut als Erpressungsversuch der Geburtenkontrolle ist abartig.“

    Sehe ich auch so.
    Zudem steht dahinter so etwas wie Armutsrassismus, weil arme Menschen
    oft mit „asozial“ assoziiert werden. Das gemahnt an dunkle Zeiten.

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